020058 SE Wahlmodul: Gender im religiösen, ethischen oder kulturellen Kontext (2022W)

Sowohl die Religionsgeschichte als auch die sie reflektierende Theologie sind von Gewalt- und Machtdiskursen geprägt. So werden z.B. die Schöpfungserzählungen des Ersten Testaments bis heute als Grundlage hierarchisch gedachter Geschlechts- und Familienbilder herangezogen, die all diejenigen Geschlechtsidentitäten und Begehrensformen aus der „Schöpfungsordnung“ auszuschließen scheinen, die in jenen Rezeptionsformen nicht als Teil der „natürlichen Schöpfung“ enthalten sind.

In den letzten Jahrzehnten hat die die sogenannte „queer theory“ in der denkerischen Nachfolge von Michel Foucault und Judith Butler viel dazu beigetragen, solch restriktiven Konstruktionen in Bezug auf Geschlecht oder sexuelle Orientierung und deren Anschein von „Normalität“ zu hinterfragen. So hat sich auch eine reflexive Praxis der queeren Theologien etabliert, die traditionelle Lektüren der biblischen Überlieferung gegen den Strich bürsten und kritische Rückfragen an theologische Systembildungen stellen: Welche Menschen, welche Geschlechtsidentitäten, welche sexuellen Orientierungen und welche Körper werden in Theologie und kirchlicher Praxis als „normal“, welche als „abweichend“ gedacht? Welche Formen von Ausschlüssen und Stigmatisierungen gehen mit solchen denkerischen Systematisierungen einher und wie kann man deren Inhalte aufbrechen, sichtbar machen und denkerisch überwinden, also queeren?

Das geplante Seminar wird einerseits in die denkerischen Grundlagen queerer Praxis einführen (i.e. Foucault, Butler), und daran anschließend einzelne Perspektiven queer-theologischer Theoriebildung gemeinsam erarbeiten und diskutieren. Dabei soll das Betreiben queerer Theologie als eine „umfassende normalisierungskritische Perspektive“ begreifbar werden, „die die Funktionsweise und Verbindungslinien verschiedener normierender Kategorien im Hinblick auf Geschlechtsidentität, Herkunft, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit und sexuelles Begehren in den Blick nimmt und deren Regulierungsmechanismen durchbuchstabiert.“ (Söderblom 2012, 176)