Universität Wien

070101 UE Lektüre historiographischer Texte und Historiographiegeschichte (2024W)

Krise der Gesellschaft | Krise des Wissens: Einführung in die historische und politische Epistemologie

4.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 7 - Geschichte
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Mittwoch 02.10. 09:45 - 14:45 Seminarraum 12, Kolingasse 14-16, OG01
  • Freitag 04.10. 09:45 - 16:30 Seminarraum 7, Kolingasse 14-16, OG01
  • Samstag 05.10. 10:00 - 16:00 Seminarraum 7, Kolingasse 14-16, OG01
  • Freitag 11.10. 09:45 - 16:30 Seminarraum 12, Kolingasse 14-16, OG01
  • Samstag 12.10. 10:00 - 16:00 Seminarraum 12, Kolingasse 14-16, OG01

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

In den letzten drei Jahrzehnten hat sich in der Geschichte und Soziologie des Wissens ein grundlegender Wandel vollzogen. Wissen wird nicht mehr als ausschließliches Eigentum der Wissenschaft und der akademischen Institutionen verstanden, sondern als das Ergebnis komplexer gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse, an denen eine Vielzahl von Akteuren beteiligt sind. Das Bild von Wissenschaft als der Produzentin verlässlicher Fakten wurde durch ein differenzierteres Verständnis der Prozesse der Wissensproduktion ergänzt, die unter anderem soziale Bewegungen und ihr Bewegungswissen oder die Dimensionen von Alltagswissen miteinschließt. Ein generelles Charakteristikum dieses Umdenkens, besteht darin Wissen von seiner "Wirksamkeit" und weniger von seinem Gehalt her zu betrachten. Bruno Latour hat dieses neue Nachdenken mit dem Übergang von "matters of fact" bzw. vermeintlich neutralen Tatsachen zu "matters of concern" beschrieben, also den Anliegen, die Menschen konkret betreffen. Diese Erweiterung der Frage nach Wissenschaft hin auf ihre Rolle in Gesellschaft und Alltag, hat die Wissenschaft zudem als ein Kampfplatz deutlich werden lassen, auf dem um politische und kulturelle Hegemonien gerungen wird.
Die Kritik an einem souveränen Wissenschaftsbegriff, die Ausweitung des Wissensbegriffs und seine Rolle als Schauplatz kultureller Wissenskonflikte hat zugleich eine neue Form der Verunsicherung mit sich gebracht. Eine Krise der Wissenschaft, die oft als ungerechtfertigte Politisierung der Erkenntnis oder auch als Epistemisierung des Politischen empfunden wird. Meist wird auf diese Krisenempfindung mit dem Reflex reagiert, die Wissenschaft vor der Politik oder umgekehrt die Politik vor der Wissenschaft schützen zu wollen. Denn, wie sollte ohne einen Verweis auf die Autorität und die Begründetheit wissenschaftlicher Tatsachen gesellschaftliche Auseinandersetzungen über Wahrheit und vernünftiges Handeln weiterhin sinnvoll geführt werden können?
Die Blockveranstaltung, die als Einführung konzipiert ist, gibt einen Einblick sowohl in klassische als auch aktuelle Positionen und Debatten der Wissens- und Wissenschaftsgeschichtsschreibung. Der besondere Akzent auf die historische und politische Epistemologie soll zudem die Relevanz einer historischen Perspektive für aktuelle Debatten um die akademische Freiheit und soziale Verantwortung der Wissenschaft deutlich machen und über pauschale Polarisierungen hinausweisen.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Diskussionsbereitschaft, genaue Lektüre der Seminartexte und aktives Selbststudium. Impulsreferate in einer Arbeitsgruppe zu einer ausgewählten Sitzung. Zudem Upload von mindestens 7 kurzen Leseantworten (200 bis max. 300 Wörter) zur Seminarlektüre, in denen sie Kernaspekte des gelesenen Textes reflektieren und Fragen für die Sitzung formulieren.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Grundlegende Orientierungsfähigkeit im Fachgebiet und Kenntnisse der wichtigsten Konzepte und Methoden der Wissenschaftsgeschichte. Interesse an eigenständiger Recherche und Vertiefung des Themenschwerpunkts. Überblick über Fachbibliographien und Archivportale. Bei der Bewertung wird darauf geachtet, dass Sie selbstständig und klar argumentieren, die Materialien kritisch nutzen und gründlich recherchieren. Auch die Originalität und das Einbringen eigener Ideen sind dabei wichtig.

Prüfungsstoff

Der Prüfungsstoff ergibt sich sich aus dem Seminarplan und der Literaturliste.

Literatur

Daston, Lorraine; Galison, Peter (2007): Objectivity. New York: Zone Books.
Fleck, Ludwig (1929): Zur Krise der "Wirklichkeit". In: Die Naturwissenschaften. Wochenschrift für die Fortschritte der reinen und der angewandten Naturwissenschaftenhrsg. v. Arnold Berliner 17, S. 425-430.
Harding, Sandra G. (2008): Sciences from below. Feminisms, postcolonialities, and modernities. Durham: Duke university press (Next wave).
Latour, Bruno (2004): Why Has Critique Run out of Steam? From Matters of Fact to Matters of Concern. In: Critical Inquiry 30 (2), S. 225-248. DOI: 10.1086/421123.
Omodeo, Pietro Daniel (2019): Political epistemology. The problem of ideology in science studies. Cham, Switzerland: Springer.
Rheinberger, Hans-Jörg (2018): Historische Epistemologie zur Einführung. 3. Auflage. Hamburg: Junius Verlag (zur Einführung).
Roelcke, Volker (2010): Auf der Suche nach der Politik in der Wissensproduktion: Plädoyer für eine historisch-politische Epistemologie. In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 33 (2), S. 176-192. DOI: 10.1002/bewi.201001418.
Shapin, Steven; Schaffer, Simon (2011[1985]): Leviathan and the air-pump. Hobbes, Boyle, and the experimental life. Princeton N.J.: Princeton University Press.
Stadler, Max; Güttler, Nils; Rhyner, Niki; et al. (2020): Gegen|Wissen. 1. Auflage. Zürich: intercomverlag (cache, 01).
Vogelmann, Frieder (2022): Die Wirksamkeit des Wissens. Eine politische Epistemologie. Erste Auflage. Berlin: Suhrkamp.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

BA Geschichte (V2019): PM1 Quellen und Methoden - UE Lektüre historiographischer Texte und Historiographiegeschichte (4 ECTS).
BEd UF GP 05: Quellen und Methoden 1 - KU Lektüre historiographischer Texte und Historiographiegeschichte (4 ECTS)

Letzte Änderung: Do 19.09.2024 14:45