Universität Wien
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100110 PS Proseminar Neuere deutsche Literatur (2024W)

Grillparzers Prosa

4.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 10 - Deutsche Philologie
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Donnerstag 03.10. 16:45 - 18:15 Seminarraum 4 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Donnerstag 10.10. 16:45 - 18:15 Seminarraum 4 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Donnerstag 17.10. 16:45 - 18:15 Seminarraum 4 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Donnerstag 24.10. 16:45 - 18:15 Seminarraum 4 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Donnerstag 31.10. 16:45 - 18:15 Seminarraum 4 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Donnerstag 07.11. 16:45 - 18:15 Seminarraum 4 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Donnerstag 14.11. 16:45 - 18:15 Seminarraum 4 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Donnerstag 21.11. 16:45 - 18:15 Seminarraum 4 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Donnerstag 28.11. 16:45 - 18:15 Seminarraum 4 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Donnerstag 05.12. 16:45 - 18:15 Seminarraum 4 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Donnerstag 12.12. 16:45 - 18:15 Seminarraum 4 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Donnerstag 09.01. 16:45 - 18:15 Seminarraum 4 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Donnerstag 16.01. 16:45 - 18:15 Seminarraum 4 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Donnerstag 30.01. 16:45 - 18:15 Seminarraum 4 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

"Grillparzer - a devil of a name, to be sure, for posterity; but they must learn to pronounce it." - schreibt Lord Byron
in sein Tagebuch. In den letzten Jahren ist die Rede von einem der bekanntesten Dramatiker des 19. Jahrhunderts leiser geworden.
Kafka, Hegel, Heine und viele andere verehrten Grillparzers Texte. Aber sagen sie uns 2024 noch etwas? Unter
dem Schlagwort der "kognitiven Dissonanz" lassen sich zumindest vier Themenbereiche nennen, denen das Proseminar
anhand von Prosatexten, Briefen, Tagebüchern und der Selbstiographie Grillparzers nachgehen will.

1) Politische Anachronismen: als Sohn eines josephinischen Beamten waren die Trennung von Staat und Kirche, die Beschränkung der Zensur,
eine progressive Sozialgesetzgebung und ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht einige der Reformen, die zur Zeit von Grillparzers Vaters
Realität waren, aber spätestens unter Franz I. und Metternich eingeschränkt wurden, was Grillparzer in einen kritischen Abstand zu seiner eigenen
Zeit versetze. Seine Reisen nach England, Frankreich und Deutschland verschärften diese Spannungen, die zu einem
wiederkehrenden Thema seiner literarischen und biographischen Schriften wurden.

2) Freiheit der Rede: Mehrere Texte von Grillparzer wurden von der Zensur beanstandet oder schlicht nicht bearbeitet,
um der Öffentlichkeit vorenthalten zu werden. Da er selbst als Beamter tätig war, kannte er sowohl die Arbeitsweise
der Bürokratie als auch deren Möglichkeit des Widerstands gut. Aus diesem Dilemma ergaben sich
eine Reihe von (literarischen) Strategien, um mit der Zensur umzugehen, ohne sich dem Risiko
auszusetzen, die eigene Position als Beamter aufs Spiel zu setzen.

3) Unabhängigkeit der Literatur: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Grundlinien dessen entwickelt, was
man heute "Urheberrecht" nennt. Davor wurde Literatur meist von Mäzenaten finanziert und unterlag anderen,
auftrageberseitigen, Einschränkungen als jenen des Marktes, auf dem die Gunst des Publikums den Grad
der künstlerischen Freiheit bis heute mitbestimmt. Im Bereich des Theaters war sowohl die josephinische
Tantiemenregelung als auch die illegale Reproduktion der dramatischen Texte etwas, dass die finanzielle
Unabhängigkeit von Autoren gefährdete. Gleichzeitig gab es Mitte des 19. Jahrhundersts wohl keinen Autor,
der so gute Verbindungen ins Zentrum der Macht, zum Kaiserhaus, aufweisen konnte wie Grillparzer.

4) Lebensform: Das Spitzelwesen Metternichs und die mit ihm einhergehenden Repressionen zwangen
das intellektuelle Leben, sich in private Kreise zurückziehen. Bürgerliche und adelige Häuser,
aber auch die Bankiers des sich rasch etablierenden Kapitalismus, boten Rückzugsorte, an
denen neue Formen der Soziabilität (Essays, Gedichte, Hausmusik, Rollenspiele, etc.) ausprobiert
wurden. Ander als die biedermeierliche Familienidylle erwärten lässt, begannen sich
Schriftsteller:innen der Zeit dort sowohl der Ehe ("Hagestolz") als auch der Monogamie
zu entschlagen ("Landpartie"). Die internationalen und technisch ausgefeilten Interieurs
dieser Häuser legen auch die These nahe, dass die politische Stagnation mit privater
Verfeinerung und kulturtechnischer Entwicklung einher ging.

Unter historisch unvergleichbaren Voraussetzungen ist das heutige Staatsbürgerschaftsrecht
immer noch rückschrittlicher als zu Zeiten von Grillparzers Vater (Waltraud Heindl), die Zensur liegt in
der Hand von öffentlich unzugänglichen Algorithmen (Shadowban), abseits der Megastars sind
die Einkünfte von Künstler:innen durch digitale Verbreitungsmedien massiv gesunken und
die Hoffnung, im Privaten die Welt zu verbessern, ist so biedermeierlich wie aktuell. Trotz
dieser Parallelen gibt den kognitiven Dissonanzen, die sich daraus ergeben, fast niemand
mehr so viel Raum wie Grillparzer - a devil of a name.

(Je nach Qualität des Seminarverlaufs sind auch Exkursionen ins Wien Museum ("Grillparzerzimmer")
oder ins Geymüllerschlössel (Innenarchitekturexplosion) möglich.)

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Schriftliche Beiträge aller Lehrveranstaltungstypen der SPL 10 können einer automatischen Plagiatsprüfung unterzogen werden; dazu zählen insbesondere Arbeiten der Pro-, Bachelor- und Masterseminarstufe, aber auch Lehrveranstaltungsprüfungen (z.B. Vorlesungsprüfung) und Teilprüfungen (z.B. Zwischentest, 'Hausübungen').

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltungen aus dem Angebot der SPL10 sind grundsätzlich anwesenheitspflichtig. Maximal zweimaliges Fehlen ist erlaubt. Eine konsequenzlose Abmeldung ist bei wöchentlichen Lehrveranstaltungen bis vor der dritten LV-Einheit möglich, bei 14-tägigen Lehrveranstaltungen und Blöcken bis vor dem zweiten Termin.

Umfang der Abschlussarbeiten: Proseminararbeiten 15 Seiten Haupttext
Das Hauptgewicht der Beurteilung liegt auf der schriftlichen Proseminararbeit.

30% Mitarbeit, Thesenpapier, Sitzungsmoderation
70% Proseminararbeit

Prüfungsstoff

Literatur zu einzelnen Themen wird im Seminar bekannt gegeben.
Eine Anschaffung der Texte "Der arme Spielmann" (Reclam) und "Selbstbiographie" (Jung und Jung) ist dringend empfohlen.

www.zvab.com

Literatur

Raoul Auernheimer: Franz Grillparzer. Der Dichter Österreichs. Amalthea, Wien u. a. 1972.
Humbert Fink: Franz Grillparzer. Pinguin u. a., Innsbruck 1990.
Franz Forster: Grillparzers Theorie der Dichtung und des Humors. Herder, Wien 1970.
Armin Gebhardt: Franz Grillparzer und sein dramatisches Werk. Tectum-Verlag, Marburg 2002,.
Hilde Haider-Pregler, Evelyn Deutsch-Schreiner (Hrsg.): Stichwort Grillparzer. (= Grillparzer Forum. 1). Böhlau, Wien 1994.
Helmut Hasenkox: Die Epigrammatik Franz Grillparzers als Ausdruck literarischer Reflexion im politischen und sozialen Umfeld des 19. Jahrhunderts. (= Bochumer Schriften zur deutschen Literatur. 7). Lang, Frankfurt am Main u. a. 1989.
Birthe Hoffmann: Opfer der Humanität. Zur Anthropologie Franz Grillparzers. DUV, Wiesbaden 1999.
Friedrich Kainz: Grillparzer als Denker. Der Ertrag seines Werks für die Welt- und Lebensweisheit. (= (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Sitzungsberichte. Philos.-hist. Kl. 280,2). Österr. Akad. d. Wiss., Wien 1975.
Heinz Kindermann (Hrsg.): Das Grillparzer-Bild des 20. Jahrhunderts. Festschrift der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zum 100. Todestag von Franz Grillparzer. (= Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philos.-hist. Klasse, Sitzungsberichte 275). Böhlau, Wien u. a. 1972.
Peter von Matt: Der Grundriss von Grillparzers Bühnenkunst. (= Zürcher Beiträge zur deutschen Literatur- und Geistesgeschichte. 24). Atlantis, Zürich 1965
Walter Naumann: Franz Grillparzer. Das dichterische Werk. (= Sprache und Literatur. 42). 2., veränd. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 1967.
Gerhard Neumann (Hrsg.): Franz Grillparzer. Historie und Gegenwärtigkeit. (= Rombach-Wissenschaft. Reihe Litterae 19). Rombach, Freiburg im Breisgau 1994.
Robert Pichl (Hrsg.): Mit Franz Grillparzer ins dritte Jahrtausend. (= Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft. 3). Löcker, Wien 2002.
Heinz Politzer: Franz Grillparzer oder das abgründige Biedermeier. Zsolnay, Wien u. a. 1990.
Brigitte Prutti: Unglück und Zerstreuung. Autobiographisches Schreiben bei Franz Grillparzer. [Aisthesis Essay Bd. 44] Aisthesis, Bielefeld 2016.
Konrad Schaum: Grillparzer-Studien. Lang, Bern u. a. 2001.
Gerhard Scheit: Franz Grillparzer. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. (= Rowohlts Monographien. 396). Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1989.
Alessandra Schininà: „Ich wäre tot, lebt’ ich mit dieser Welt“. Franz Grillparzer in seinen Tagebüchern. (= Österreichische und internationale Literaturprozesse. 8). Röhrig, St. Ingbert 2000.
Walter Seitter: Unzeitgemäße Aufklärung. Franz Grillparzers Philosophie. Turia & Kant, Wien 1991.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Fr 15.11.2024 17:45