Universität Wien

100141 PS Neuere deutsche Literatur: Heidi, Urmütter und Alpinistinnen (2011S)

die Alpen als Ort des Anderen

4.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 10 - Deutsche Philologie
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

Die Alpen sind zugleich Angstraum und Idyll, karger Lebensort und «Playground», Sehnsuchtsort und Ort der Zerstörung, Heimat und Exil. Immer aber stehen sie für das Andere und werden aus dem Gegensatz heraus begriffen. In Albrecht von Hallers «Die Alpen» von 1729 werden sie als Gegenort zur urbanen Dekadenz gefeiert. Die Pole «arm im Glück» des Älplers und im «Reichtum elend bleiben» des Städters, die Haller als Topos erschreibt, prägen zahlreiche Berg-Romane. Die Überwindung der Gegensätze hin zu einem sublimierenden Dritten, zur Selbstfindung, ist dabei den männlichen Protagonisten vorbehalten, während die weiblichen Figuren als luxusbestimmte Verführerin oder als bescheiden unverdorbenes Alpenkind auftreten und damit den männlichen Weg als Allegorien säumen. Johanna Spyris Bestseller «Heidi», im Bannkreis der beginnenden Industrialisierung des Alpenraums geschrieben, sucht mit seiner Protagonistin nicht zu überwinden, sondern zu vermitteln. Denn erst indem die «gute Wilde» als Wissende in die Bergwelt zurückkehrt, wird sie zur glaubhaften Fürsprecherin derselben. Gerade in der Vermittlung oder im Sowohl-als-auch dieser Figur mag ihre anhaltende Faszination liegen.
Je nach Wahrnehmung und Blickpunkt zwischen Fremdem und Heimischem, zwischen Idyll und Spekulation, wird die imaginäre Topographie der Alpen als «keusche Schöne» gelobt, der «Käuflichkeit» bezichtigt oder als «künstliche Mutter» imaginiert. Neben diesen expliziten Einschreibungen männlichen Besitzanspruchs überschneiden sich bei der Konstruktion des alpinen Raums das Vokabular des Aufstrebenden, Erhabenen, Stehenden mit jenem des Ruhenden, Passiven, zu Erklimmenden. Damit wird die willkürliche Einteilung geschlechts-spezifischer Merkmale und Aktivitäten gerade in der Beschreibung «unberührter Natur», als welche die Alpen noch immer mystifiziert werden, wirksam «naturalisiert». Auf diese «Naturalisierung» zielen auch Bergbesteigungen als Initiation und fester Bestandteil männlicher Übergangsriten. Umso mehr wurden Alpinistinnen beargwöhnt und diskreditiert, galt es doch, die doppelte Gefahr, die von ihnen ausgeht, zu bannen: Als Erbringerin einer herausragenden sportlichen Leistung treten sie aktiv auf, konkurrenzieren die Männer und dekonstruieren zugleich die angebliche Natürlichkeit überkommener Bilder und Festschreibungen.

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Details

max. 40 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Freitag 11.03. 16:30 - 19:00 (ehem.Übungsraum 1 Germanistik Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 9)
  • Samstag 12.03. 09:30 - 13:00 (ehem.Übungsraum 4 Germanistik Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 5)
  • Freitag 15.04. 16:30 - 19:00 (ehem.Übungsraum 4 Germanistik Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 5)
  • Samstag 16.04. 09:30 - 13:00 (ehem.Übungsraum 4 Germanistik Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 5)
  • Freitag 13.05. 16:30 - 19:00 (ehem.Übungsraum 1 Germanistik Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 9)
  • Samstag 14.05. 09:30 - 13:00 (ehem.Übungsraum 1 Germanistik Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 9)
  • Freitag 17.06. 16:30 - 19:00 (ehem.Übungsraum 1 Germanistik Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 9)
  • Samstag 18.06. 09:30 - 13:00 (ehem.Übungsraum 1 Germanistik Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 9)

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Prüfungsstoff

Literatur

Burger, Hermann: Die künstliche Mutter. Frankfurt a.M. 1982.
Frisch, Max: Antwort aus der Stille. Eine Erzählung aus den Bergen (1937). Frankfurt a.M. 2009.
Haller, Albrecht von: Die Alpen und andere Gedichte. Stuttgart 1998.
Händl Klaus: Ich ersehne die Alpen; So entstehen die Seen. 2001.
Jelinek, Elfriede: In den Alpen. Berlin 2002.
Reznicek, Felizitas von: Michael gewidmet. Berlin 1937.
Spyri, Johanna: Heidi (1880/81). Zürich 2000.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

(I 1231, I2900)

Letzte Änderung: Mo 07.09.2020 15:32