Universität Wien

130119 PS Sozialgesch. der Lit. (PS): (Be-)Handlungsräume: Die psychiatrische Klinik in der Literatur (2017S)

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

Studierende, die dieses Proseminar bereits im vorigen Semester absolviert haben, können es NICHT nochmals besuchen.

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 30 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Mittwoch 08.03. 17:00 - 18:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 15.03. 17:00 - 18:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 22.03. 17:00 - 18:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 29.03. 17:00 - 18:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 05.04. 17:00 - 18:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 26.04. 17:00 - 18:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 03.05. 17:00 - 18:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 10.05. 17:00 - 18:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 17.05. 17:00 - 18:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 24.05. 17:00 - 18:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 31.05. 17:00 - 18:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 07.06. 17:00 - 18:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 14.06. 17:00 - 18:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 21.06. 17:00 - 18:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 28.06. 17:00 - 18:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

„Einen Rasenden soll man nicht unter die Leute kommen lassen“, rät schon Platon in Nomoi, seinen Dialogen zum „wohlgeordneten Staate“, vielmehr sollten Angehörige „ihn im Hause verwahren“. Beispiele privater Verwahrung – wie die ‚Madwoman in the Attic‘ in Charlotte Brontës Jane Eyre (1847) – finden sich zahlreich in der Literaturgeschichte, ebenso Darstellungen institutioneller Unterbringung, von Hector Malots Un Beau-frère (1868) über Ken Keseys One Flew Over the Cuckoo’s Nest (1962) bis zu Brigitte Schwaigers Fallen lassen (2006). Der Reiz des Topos liegt, vom sensationellen Moment abgesehen, in der Auskunft, die Behandlungsorte und -arten über den sozialgeschichtlichen Kontext zu geben vermögen: Die Anstalt bildet den Zustand der Gesellschaft ab, repräsentiert (ex negativo) ihre Werte. So haben Toll-, Irren- und Narrenhaus, Nervenheilanstalt und psychiatrische Klinik im Laufe der Zeit Namen und Normen geändert, kaum jedoch ihren Status als „Abweichungsheterotopien“, laut Foucault nach eigenen Gesetzmäßigkeiten funktionierende Orte, die jene Individuen beherbergen, deren Verhalten merklich vom Vorgesehenen abweicht. Die räumliche Abtrennung erweckt die Illusion einer klaren Grenze zwischen Gesundem und Pathologischem, der vor allem psychiatriekritische Schriftsteller ein beunruhigendes Kontinuum entgegenstellen. Dabei dient insbesondere die Figur des zwischen Genie und Wahnsinn schwankenden Künstlers dazu, die Relativität der Grenzziehung zu verdeutlichen.
Gestützt auf gemeinsame Theorie-Lektüren (Foucault, Agamben, Szasz), untersucht das Proseminar literarische Psychiatrie-Porträts (u. a. von Anton Tschechow, Charles Reade, Unica Zürn, Sylvia Plath, Gerhard Roth, Joachim Meyerhoff, Per Olov Enquist, Steve Sam Sandberg) und betrachtet, wie diese den Wandel psychiatrischer Praktiken im Verlauf der letzten 150 Jahre spiegeln.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Referat, Lektüre, mündliche Mitarbeit: 40%
Seminararbeit (12-15 Seiten): 60%

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Prüfungsstoff

Literatur

Forschungsliteratur (Auswahl)

Bivins, Roberta und John V. Pickstone (Hg.). Medicine, Madness and Social History. Basingstoke und New York: Palgrave Macmillan 2007.
Cross, Simon. Mediating Madness. Mental Distress and Cultural Representation. Basingstoke und New York: Palgrave Macmillan 2010.
Dietze, Gabriele. „‚Heller Wahn‘. Echoräume zwischen Genie-und-Wahnsinns-Diskursen in Psychiatrie und künstlerischen Avantgarden der Moderne“. In Heinz-Peter Schmiedebach (Hg.): Entgrenzungen des Wahnsinns. Psychopathie und Psychopathologisierungen um 1900. Berlin, Boston: De Gruyter 2016. S. 259-278.
Faust, Volker und Gerhard Köpf. Psychiatrie in der Literatur. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 2003.
Foucault, Michel. Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1973 [1969].
Foucault, Michel. Die Geburt der Klinik: Eine Archäologie des ärztlichen Blicks. München: Hanser 1973.
Foucault, Michel. Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1976.
Goffman, Erving. Asylums. Essays on the social situation of mental patients and other inmates. Garden City/NY: Anchor Books 1961.
Hess, Volker und Heinz-Peter Schmiedebach (Hg.). Am Rande des Wahnsinns. Schwellenräume einer urbanen Moderne. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2012.
Köpf, Gerhard. ICD-10 literarisch. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 2006.
Kyaga, Simon. Creativity and Mental Illness. The Mad Genius in Question. Basingstoke und New York: Palgrave Macmillan 2015.
Porter, Roy und David Wright (Hg.). The Confinement of the Insane. International Perspectives, 1800-1965. Cambridge: Cambridge University Press 2003.
Reuchlein, Georg. Bürgerliche Gesellschaft, Psychiatrie und Literatur. Zur Entwicklung der Wahnsinnsthematik in der deutschen Literatur des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. München: Fink 1986.
Schramme, Thomas und Johannes Thome. Philosophy and Psychiatry. Berlin, New York: De Gruyter 2004.
Scull, Andrew. The Insanity of Place/ The Place of Insanity. Essays on the History of Psychiatry. London, New York: Routledge 2006.
Small, Helen. Love’s Madness. Medicine, the novel and female insanity. 1800-1865. Oxford: Oxford University Press 1998
Szasz, Thomas. Antipsychiatry. Quackery Squared. Syracuse/NY: Syracuse University Press 2009.
Szasz, Thomas. The Myth of Mental Illness. Foundations of a Theory of Personal Conduct (1961). New York: Harper & Row 1974.
Thomé, Horst. Autonomes Ich und ‚Inneres Ausland‘. Studien über Realismus, Tiefenpsychologie und Psychiatrie in deutschen Erzähltexten (1848-1914). Tübingen: Niemeyer 1993.

(Auszüge und zusätzliche Aufsätze werden via Moodle zur Verfügung gestellt.)

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

BA M5

Letzte Änderung: Do 04.07.2024 00:13