Universität Wien
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135041 PS Literar. Wechselbez.(PS): Die Subjekt-Krise in der deutschen und franz. Dekadenzliteratur (2018W)

(1890-1910)

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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Details

max. 30 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Mittwoch 03.10. 12:00 - 13:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 10.10. 12:00 - 13:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 17.10. 12:00 - 13:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 24.10. 12:00 - 13:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 31.10. 12:00 - 13:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 07.11. 12:00 - 13:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 14.11. 12:00 - 13:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 21.11. 12:00 - 13:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 28.11. 12:00 - 13:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 05.12. 12:00 - 13:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 12.12. 12:00 - 13:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 09.01. 12:00 - 13:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 16.01. 12:00 - 13:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 23.01. 12:00 - 13:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 30.01. 12:00 - 13:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Die mentale Widersprüchlichkeit, die zur Jahrhundertwende zu beobachten war, lässt sich in die literaturhistorischen Strömungen der Dekadenz und der Belle Époque fassen. Anzusetzen ist der zeitliche Schwerpunkt im ersten Fall am Ende des alten und im zweiten zu Beginn des neuen Jahrhunderts. Kennzeichen der Wende vom 19. zum 20. Jhdt. ist eine Polarität, die einerseits aus einem Glauben in die Wissenschaften und die technische Innovation und andererseits aus einer Skepsis gegenüber dem gemeinsamen Rahmen des Fortschrittes bestand. Während Frankreich zu dieser Zeit politisch von der Dritten Republik geprägt war, einem Zweikammer-Parlament, zeichnete sich mit der Donaumonarchie das Ende der Regentschaft der Habsburger ab. Zeigten nicht zuletzt die Balkan-Kriege (1912/13) am Beispiel des Osmanischen Reiches, was einer supranationalen Monarchie bevorstünde, so setzte sich diese Tendenz mit dem Thronfolgerattentat von 1914 und der nachfolgenden Eskalation fort. Vom ‚kakanischen‘ Schicksal ließ sich wiederum jenes für das Deutsche Kaiserreich ableiten.
Als Beispiel für die Vorbildwirkung der französischen Literatur auf die österreichische kann Musils Roman "Die Verwirrungen des Zöglings Törleß" (1906) angeführt werden. Im Zentrum der Handlung stehen einerseits epistemologische Fragen, die im Fall der betreffenden Perspektivfigur bis ins Esoterische reichen, sowie die aus den Internatsromanen bekannten Motive der unreifen Sexualität und des Missbrauches sozialer Abhängigkeiten. Musils Verstehenstheorie, die für sein Werk die weltanschauliche Basis bildet, zielt darauf ab, den erkenntnismäßigen Wert der Ratio um jenen des Fühlens und Empfindens zu bereichern. Diese Kopplung des Intuitiven, der Gefühle und Empfindungen, an die Ratio, das (logische und reflektierte) Denken, überwindet eine simplifizierte Vernunftpraxis, die in der Literatur der (klassischen) Moderne oftmals als unzulänglich abgelehnt wurde, und entwickelt diese hin zu einer auch erkenntnismäßigen Ganzheitlichkeit. Die sozialgeschichtlichen Bedingungen, die das zeitliche Vorfeld des Großen Krieges prägten, werden in Musils erstem Roman zwar nicht als für die Moderne typische Phänomene des Verfalles beschrieben – wie dies im späteren Romanprojekt der Fall ist –, doch erfolgt immerhin eine für die moderne Literatur kennzeichnende Kritik an der Ratio und seiner vorgeblichen Eindimensionalität, wenn Törleß sich Fragen der Sprachkritik widmet, die mitunter einen spirituellen Zug annehmen.
Bereits das Maeterlinck-Zitat, das dem Romantext als Leitgedanke vorangestellt ist, weist auf den erkenntnistheoretischen Anspruch hin:

Sobald wir etwas aussprechen, entwerten wir es seltsam. Wir glauben in die Tiefe der Abgründe hinabgetaucht zu sein, und wenn wir wieder an die Oberfläche kommen, gleicht der Wassertropfen an unseren bleichen Fingerspitzen nicht mehr dem Meere, dem er entstammt. (Bd. 6, S. 7)

Musils Kritik daran, dass der einzelne Sprechakt sich nicht dazu eignet, die „Tiefe“ der psychischen wie somatischen „Abgründe“ abzubilden, doch häufig ebenjene Illusion vermittelt, steht für eine Skepsis gegenüber dem sprachlichen Ausdrucksvermögen, die sich an Maeterlincks Essaysammlung "Le Trésor des humbles" (1896) anlehnt. Die symbolistischen Motive des Endzeitempfindens, Fatalismus und der Sprachkritik, die der gebürtige Belgier Maurice Maeterlinck verwendete, dürfen dabei als charakteristisch für die Dekadenzliteratur gelten.
Die ideelle Grundierung der modernistischen Literatur war durch einen neuen Weltzugang geprägt, der positivistische wie naturalistische Ansätze als überholt ansah. Bestimmend wirkten etwa die Philosophien eines Henri-Louis Bergson (Lebensphilosophie) oder Ernst Mach (Empiriokritizismus), die der Subjekt-Krise ein theoretisches Kleid gaben. Ziel dieser Lehrveranstaltung wird es sein, die Wechselwirkungen zwischen den Literaturen der deutschen und französischen Sprache vergleichend freizulegen.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

1. regelmäßige und aktive Teilnahme an der Lehrveranstaltung
2. Referat
3. Proseminararbeit (im Umfang von 10–15 Seiten)

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

In dem PS "Literarische Wechselbeziehungen" sollen erworben werden:
– Kenntnisse der Beziehungen zwischen den Nationalliteraturen und die zur Analyse von Rezeptionsprozessen und literarischen Übersetzungen bzw. zur selbständigen Bearbeitung eines Themas aus diesem Bereich nötigen Fähigkeiten
– ferner Kenntnisse der Beziehungen zwischen Literatur, Musik, Bildender Kunst und den Neuen Medien sowie der dabei zu beobachtenden Transformationsprozesse

Prüfungsstoff

Siehe Pt. d. Leistungskontrolle

Literatur

– Norbert Bachleitner: Die Wiener Moderne und ihre Beziehungen zur französischen Literatur. 1. Vorlesung: Einleitung: Kleines Porträt des Fin-de-siècle. https://complit.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/abt_complit/VOFramod01.pdf.

– Jürgen Grimm: Endzeitstimmung: Fin de siècle, Dekadenz, Symbolismus / Die Belle Epoque: Das Goldene Zeitalter des Bürgertums. In: Französische Literaturgeschichte. Hg. v. dems. 5., überarb. und aktual. Aufl. Stuttgart [u.a.]: Metzler 2006, S. 313–326.

– Handbuch Fin de Siècle. Hg. v. Sabine Haupt und Stefan B. Würffel. Stuttgart: Kröner 2008.

– Dieter Kafitz: Décadence in Deutschland. Studien zu einem versunkenen Diskurs der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts. Heidelberg: Winter 2004.

– Robert Musil: Prosa und Stücke (Band 6). In: Gesammelte Werke in neun Bänden. Hg. v. Adolf Frisé. 2., verb. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1981.

– Gerhard Neumann: Verdichten und Verströmen. Zum Wahrnehmungs- und Darstellungsparadox des 'Fin de siècle'. In: Fin de siècle. Hg. v. Rainer Warning und Winfried Wehle. München: Fink 2002, S. 195–228.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

BA M4

Letzte Änderung: Do 04.07.2024 00:13