Universität Wien
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135812 SE Weltverschwörung und Roman-Paranoia: Jan Potockis "Handschrift von Saragossa", (2018W)

Franz Kafkas "Prozeß'", Umberto Ecos "Das Foucaultsche Pendel" und andere Verdächtige

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 35 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Donnerstag 04.10. 09:00 - 10:30 Seminarraum 2 Sensengasse 3a 1.OG
  • Donnerstag 11.10. 09:00 - 10:30 Seminarraum 2 Sensengasse 3a 1.OG
  • Donnerstag 18.10. 09:00 - 10:30 Seminarraum 2 Sensengasse 3a 1.OG
  • Donnerstag 25.10. 09:00 - 10:30 Seminarraum 2 Sensengasse 3a 1.OG
  • Donnerstag 08.11. 09:00 - 10:30 Seminarraum 2 Sensengasse 3a 1.OG
  • Donnerstag 15.11. 09:00 - 10:30 Seminarraum 2 Sensengasse 3a 1.OG
  • Montag 19.11. 17:00 - 19:00 Seminarraum 2 Sensengasse 3a 1.OG
  • Donnerstag 22.11. 09:00 - 10:30 Seminarraum 2 Sensengasse 3a 1.OG
  • Donnerstag 29.11. 09:00 - 10:30 Seminarraum 2 Sensengasse 3a 1.OG
  • Montag 03.12. 09:30 - 11:00 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Donnerstag 13.12. 09:00 - 10:30 Seminarraum 2 Sensengasse 3a 1.OG
  • Donnerstag 10.01. 09:00 - 10:30 Seminarraum 2 Sensengasse 3a 1.OG
  • Donnerstag 17.01. 09:00 - 10:30 Seminarraum 2 Sensengasse 3a 1.OG
  • Donnerstag 24.01. 09:00 - 10:30 Seminarraum 2 Sensengasse 3a 1.OG
  • Freitag 25.01. 12:00 - 13:30 Seminarraum 2 Sensengasse 3a 1.OG

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Ausgangspunkt des Seminars sind die heute mehr als aktuellen Zwänge des Paranoiden zwischen den Megastrukturen des Globalen (Weltverschwörungstheorien) und den Ministrukturen der Äquivalenzen auf der Ebene des Wörtlichen (Wortkunst, Poetik, Reime etc.). "Verschwörungstheorien" beziehen sich bis heute auf das uralte, extrem instrumentalisierte Phänomen der (politischen) Paranoia, die alle widersprüchlichen Fakten der gesellschaftlichen Realität als Fake News interpretiert und monokausal begründet. Diese Strategie war bisher primär totalitären Systemen zugeordnet und verfügt auch über eine eindrucksvolle psychopathologische Omnipräsenz; die komplexen politischen, ökonomischen und sozialen Strukturen lassen aber auch in demokratischen Systemen den Ruf nach einer klaren und einfach strukturierten Bewältigungsstrategie laut werden.
Diese alltagspsychologische wie politische Dimension des Paranoia-Prinzips reicht vom einfachen Tick ("Gesetz der Serie") bis zu globalen Konspirationsphantasmen ihm stehen aber auch konstruktive Aspekte desselben Prinzips gegenüber: Diese reichen von der Struktur der Vernetzung aller Zeichenkomplexe mit allen in überstrukturierten Kunstgenres (Musikstücke, Gedichte, Spielformen) hier "reimt" alles mit allem bis hin zu stereotypen Erzählsituationen, deren Protagonisten "ganz zufällig" wie in einem geplanten Spiel miteinander in Kontakt treten, sich trennen und jeweils neu konfigurieren. In vergleichbaren Alltagssituationen ist dann die Rede davon, das ansonsten nach allen Seiten offene Leben würde wie "in einem (schlechten) Roman ablaufen". Warum trifft Anna Karenina gleich am Anfang des gleichnamigen Romans ihren späteren Liebhaber in der Eisenbahn und warum ist es eben so ein Zug, unter dessen Räder sie am Ende des Romans gerät?
Paradebeispiele für eine solche ars combinatoria auch der Romankunst stehen im Mittelpunkt des Seminars: 1. In Jan Potockis Handschrift von Saragossa (1787/1815) wird die wenn auch ironische Verbindung der Roman-Paranoia zur ars combinatoria der hermetisch-okkultistischen Systeme überdeutlich. Diese arbeiten ja auch mit geschlossenen Analogie-Zirkeln und Symmetrien, die das gesamte "Buch der Welt" durchwirken. 2. Auch in Umberto Ecos Das Foucaultsche Pendel (1988) steht das geschlossene System der Kabbala bzw. das Verschwörungssystem der Templer im Zentrum einer lustvollen Dekonstruktion, an deren Ende die Hermetik verliert und der Roman siegt.
Ausgehend von Umberto Ecos Roman Der Friedhof in Prag (2011) rekonstruiert die Veranstaltung den Ursprung und bis heute anhaltende Wirkung der berüchtigten Protokolle der Weisen von Zion, die von einer jüdischen Weltverschwörung ausgehen (vgl. Sergej Nilus, 1912). Nicht so sehr die Inhalte als die kommunikativen Strukturen des Paranoiden sind hier Gegenstand der Analyse: die Frage also nach dem Erfolg von archaischen Zufallsordnungen (Paul Kammerers "Gesetz der Serie", 1919) wie überhaupt nach der Rolle des Seriellen vor dem Hintergrund kausal-empirischer Ordnungen von Ursache-Wirkung. Dieses Prinzip der falschen Kontingenz wird dann in bestimmten Kunstrichtungen zumal jenen der Poetik des Absurden (Charms, Beckett u.a.) zum zentralen Prinzip erhoben.
3. Wird in Kafkas Prozeß ein auswegloses Labyrinth des allumfassenden Verdachts, der Schuldzuweisungen und der Bestrafung für unerkennbare Straftaten inszeniert. Hier wird der hermetische Hintergrund einer solchen total geschlossenen Welt nicht direkt wirksam, wohl aber jüdische Traditionen des paradoxalen Denkens und der absurden Grundlosigkeit einer nicht mehr kausalen Ordnung der Dinge.
Als Forschungsfeld ist diese erweiterte wie vertiefte Sicht der Paranoia- und Verschwörungstheorien in den letzten Jahren immer aktueller geworden, was sich etwa in dem Sammelband: Paranoia. Lektüren und Ausschreitungen des Verdachtes, Hg. T. Ebner et al., Wien / Berlin 2016, manifestiert.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

In begrenztem Ausmaß können auch andere Werke herangezogen werden (Joseph Conrad, Vladimir Nabokov, Thomas Pynchron, u.a.)

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Prüfungsstoff

Literatur

2

Primärliteratur:

Jan Potocki, Die Handschrift von Saragossa, München: Piper Taschenbuch 2005. [zahlreiche Ausgaben: Insel Tb. 1975, auch als eBook bei Kain & Aber]
Franz Kafka, Der Prozeß, Reclams Universalbibliothek 1998 [praktisch umsonst]
Umberto Eco, Das Foucaultsche Pendel, München 1988 [1989 auch bei dtv]
Umberto Eco, Der Friedhof von Prag München: Hanser 2010.

Sekundärliteratur:

M. Barkun, A Culture of Conspiracy, Univ. of Calif. Press, Berkeley 2006.
H. Reinalter, Verschwörungstheorien, Studienverlag Innsbruck 2002.
Aage Hansen-Löve, Schwangere Musen Rebellische Helden, Paderborn: Fink Verlag 2018
P. Hemenway, Der geheime Code, Köln: Evergreen 2008.
Paul Kammerer, Das Gesetz der Serie, Stuttgart / Berlin: Deutsche Verlagsanstalt 1919.
Luigi Bauco,Francesco Millocca, Das Geheimnis des Pendels entschlüsselt, Heyne 1995.
F.Ph. Ingold, Noch ein Leben für Jan Potocki, Berlin: Mathes & Seitz 2013.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

MA M1

Letzte Änderung: Do 04.07.2024 00:13