Universität Wien
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140214 SE VM1 - VM7 - Antikolonialer Widerstand, Exilstaat und Geschlechterverhältnisse: (2014W)

Das Beispiel Westsahara

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine

Blocktermin Samstag 13.12. 10h-17h!
SG 2
Okt.: 6.10. 13.10., 27.10.;
Nov.: 3.11., 10.11., 17.11., 24.11.;
Dez.: 1.12., 13.12. Blocktermin!, 15.12.;
jeweils Mo, 18.00-20.00;
außer Sa, 13.12.: 10.00-17.00


Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Weitgehend unbeobachtet von den internationalen Medien und der Weltöffentlichkeit existiert vor den Toren Europas ein beinahe vergessener Konflikt: Von den Vereinten Nationen unter dem politischen Status eines ‘non-decolonized territory’ gelistet, bildet die Westsahara seit fast 40 Jahren einen weißen Fleck auf der politischen Landkarte Afrikas. Genauso lange schon kämpft die Bevölkerung der Westsahara für ihre Unabhängigkeit und gegen die laut IGH-Urteil völkerrechtswidrige Besetzung des zuvor unter spanischer Kolonialherrschaft gestandenen Gebietes durch Marokko. Der von der UNO eingeleitete Friedensprozess verlief bislang erfolglos, ein für 1991 geplantes Referendum über die Selbstbestimmung der Westsahara scheiterte.
Ein Teil der saharauischen Bevölkerung lebt heute in den von Marokko besetzten Gebieten der Westsahara, wo die Menschen laut Berichten unabhängiger Menschenrechtsorganisationen unter sozialer und ökonomischer Marginalisierung zu leiden haben. Rede- und Versammlungsfreiheit sind eingeschränkt, politischem Widerstand wird mit repressiven Mitteln begegnet.
Rund 150.000 Sahrauis leben seit ihrer Flucht vor der marokkanischen Besatzung 1975 in Flüchtlingslagern im algerischen Exil, wo ein besonderes Nationbuilding-Projekt entstanden ist: Die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS), verwaltet von der nationalen Befreiungsbewegung Frente Polisario, die neben der Grundversorgung der Flüchtlinge auch quasi-staatliche Infrastruktur z.B. Bildung, Gesundheitsversorgung usw. zur Verfügung stellt. Dennoch gestaltet sich die Lebenssituation für die Flüchtlinge prekär, u.a. auf Grund der Lebensmittelknappheit, mangelnder humanitärer Hilfe und klimatischer Besonderheiten.
Trotzdem oder gerade weil die sahrauische Bevölkerung seit Jahrzehnten in einer Ausnahmesituation lebt, nehmen die sahrauischen Frauen nehmen im Westsahara-Konflikt eine Sonderrolle ein: Die Freiheit und aktive Beteiligung der Frauen am Aufbau des Exilstaates werden immer wieder als besondere Charakteristika für die sahrauische Gesellschaft angeführt. Heute sind es vor allem die Frauen aus den besetzten Gebieten, wie beispielsweise die Menschenrechtsaktivistin Aminatou Haidar, die als Ikonen des weiblichen antikolonialen Widerstandes eine zentrale Rolle einnehmen.
Vor dem Hintergrund der jüngsten Umbrüche in der Region des Maghreb besteht Anlass, den Westsahara-Konflikt neu zu kontextualisieren: Historische Ereignisse, aktuelle Entwicklungen und zukünftige Tendenzen werden mittels politikwissenschaftlicher, postkolonialer und feministischer Begriffe und Theorien analysiert.

Im Rahmen des Seminars werden drei Themenblöcke behandelt:
1) Westsahara-Konflikt: Mit postkolonialen Ansätzen und Begriffen aus der Internationalen Politik sollen folgende Fragestellungen untersucht werden: Wie kam es zum Westsahara-Konflikt? Wieso ist der Dekolonialisierungsprozess bisher gescheitert? Wer sind die AkteurInnen, wo liegen ihre Interessen und mit welchen Mitteln werden diese durchgesetzt?
2) Widerstand und Befreiungsbewegung: Eine theoretische Auseinandersetzung mit bewaffneten Konflikten, antikolonialen Befreiungsbewegungen und den Menschenrechten bilden die Grundlage für die Bearbeitung folgender Fragestellungen: Wie hat sich die sahrauische Befreiungsbewegung entwickelt? Wie haben sich Form und Ziele des Widerstandes über den Konfliktverlauf hinweg verändert? Welche Rolle(n) spielen Frauen im Widerstand?
3) Exilstaat, Gesellschaft und Geschlechterverhältnisse: Ausgehend von einer theoretischen Auseinandersetzung mit Nation/Nationalismus, Staatlichkeit im Exil und Gender stehen folgende Fragen im Mittelpunkt: Wie funktioniert der Exilstaat? Wie wird die Versorgung der Flüchtlinge sichergestellt, wie der ideologische Zusammenhalt gefördert? Wie gestaltet sich das Geschlechterverhältnis in der Exilsituation?

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Studierende sind großteils bei den Seminareinheiten anwesend, beteiligen sich an Diskussionen, erarbeiten individuell oder in Gruppen zu einem von ihnen gewählten Thema Präsentationen bzw. bereiten das Thema für eine 'Podiumsdiskussion' mit anderen Studierenden auf und verfassen schriftliche Arbeiten im Umfang von mind. 15 Seiten.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Im Seminar werden mittels postkolonialer Ansätze und politikwissenschaftlicher Begriffe und Theorien verschiedene Dimensionen des Westsahara-Konflikts analysiert: Konflikt; Widerstand und Befreiungsbewegung; Exilstaat, Gesellschaft und Geschlechterverhältnisse. Die Analyse der unterschiedlichen Dimensionen erfolgt, soweit möglich, aus feministischer Perspektive und unter Einbeziehung von Genderkonzepten.
Studierende lernen, wissenschaftliche Texte und andere relevante Quellen kritisch und vergleichend aus interdisziplinärer Perspektive zu analysieren;
Studierende setzen sich dabei mit politikwissenschaftlichen Begriffen, postkolonialen und feministischen Theorien auseinander und lernen, diese bei der Untersuchung von Fragestellungen aktiv anzuwenden;
Studierende lernen, ihre Erkenntnisse vor Publikum zu präsentieren und in schriftlicher Form aufzuarbeiten.

Prüfungsstoff

Im Seminar bearbeiten und rezipieren die Studierenden neben wissenschaftlichen Texten zum Westsahara-Konflikt auch Originalberichte, Dokumente und Dokumentarfilme. Die wissenschaftliche Nutzung Neuer Medien (z.B. Blogs, Social Media) und Internetquellen nimmt insbesondere im Hinblick auf die Analyse jüngerer Ereignisse in der Westsahara sowie des aktuellen politischen, menschenrechtlichen und feministischen Aktivismus einen wichtige Rolle ein.
Darüber hinaus setzen sich die Studierenden mit unterschiedlichen Theorien auseinander, die ihnen die Analyse der rezipierten Quellen ermöglichen soll.
Das Finden, die Auswahl und Rezeption von Literatur und Quellen wird durch die Seminarleiterinnen methodisch begleitet. Anleitung zur Themenwahl für Präsentation und Seminararbeit, Erarbeitung der Fragestellung, Erstellen des Exposés, Präsentation des Referats und Verfassen der schriftlichen Arbeit wird während des Seminarverlaufs angeboten.
Ergänzend wir ein Gastvortrag organisiert, der den Studierenden erlaubt, Erkenntnisse aus der Literatur- und Quellenrezeption in direkter Interaktion zu vertiefen und Interviewsituationen zu üben.

Literatur

Dick, Gundi (2014): ‘Eine Hand allein kann nicht klatschen.’ Westsahara mit Frauen im Gespräch. Löcker Verlag Wien.
Kerner, Ina (2005): Forschung jenseits von Schwesternschaft. Zu Feminismus, postkoloniale Theorien und Critical Whiteness Studies. In: Harders, Cilja / Kahlert, Heike / Schindler, Delia (Hg.): Forschungsfeld Politik. Geschlechtskategoriale Einführung in die Sozialwissenschaften. VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 217-238
Mayrhofer, Maria (2012): Gender und nationale Identität im Westsahara-Konflikt. Implikationen für saharaurische Frauen und weiblicher Aktivismus. In: Kramer, Helmut/Kreisky, Eva (Hg.): Politik und Demokratie, Band 26. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien: Peter Lang Verlag
Zunes, Stephen & Mundy, Jacob (2010): The Sahrawi Indifada: Western Saharan Nationalism under Moroccan Occupation. In: Western Sahara. War, Nationalism and Conflict Irresolution. New York: Syracuse University Press, S.140-166

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

VM1, VM7

Letzte Änderung: Mo 07.09.2020 15:34