160029 SE Bravour, Seele und Teufelswerk - Instrumente, Interpret*innen und Geigenbauer*innen im 19. Jh. (2023S)

Die Entwicklung des professionalisierten Konzertwesens erreichte im 19. Jahrhundert eine Blüte, die zu einer kulturellen Vernetzung der großen Städte innerhalb Europas führte. In enger Verbindung damit erlebte das Virtuosentum mit von Stadt zu Stadt reisenden Musiker*innen eine Hochphase. Eine Paradefigur dieser Zeit für Virtuosität an der Geige ist Niccolò Paganini, dessen Spiel in Kritiken aus dem deutschsprachigen Raum häufig mit den im Lehrveranstaltungstitel genannten Begriffen ausgezeichnet wurde. Auffallend ist die Häufigkeit, mit der neben dem Künstler selbst und seinem Spiel auch sein Instrument – in diesem Fall eine Geige des Instrumentenbauers Giuseppe Guarneri del Gesù aus dem Jahr 1742, die den Beinamen „Il Cannone“ trägt – thematisiert wurde. Der Handel mit italienischen Streichinstrumenten aus Zentren wie Cremona und Venedig nahm in dieser Zeit einen starken Aufschwung. Neben den Mythos des Virtuosen trat derjenige des Instrumentenbauers und des Instruments selbst.
In dem Seminar soll zunächst das Konzertleben in ausgewählten kulturellen Zentren Europas in Bezug auf konzertierende Geiger*innen untersucht und den Reaktionen der Musikkritik und des Publikums nachgegangen werden. In einem weiteren Schritt werden Akteure hinter den Kulissen wie Instrumentenbauer und -händler sowie deren Verbindungen zu Interpret*innen kritisch betrachtet. Unter Bezugnahme auf Methoden der Materiellen Kulturforschung und insbesondere unter dem Gesichtspunkt des „Entanglements“ sollen schließlich die Aktions- und Beeinflussungsräume des Beziehungsgeflechts Interpret*in – Instrument – Instrumentenbauer im Fokus stehen.