Universität Wien
Achtung! Das Lehrangebot ist noch nicht vollständig und wird bis Semesterbeginn laufend ergänzt.

160115 PS PS Gesprächsanalyse: Medizinische Kommunikation (2010S)

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

ACHTUNG!
Einführungstermin: 14. April 13.00 - 15.00 Uhr im Seminarraum 1, Berggasse 11, 3. OG
Weitere Termine:
Mittwoch, 12. Mai 2010 von 10.00 - 18.00 Uhr im Seminarraum 1, Berggasse 11, 3. OG
Freitag, 11. Juni 2010 von 12.00 - 19.00 Uhr im Seminarraum 1, Berggasse 11, 3.OG.

Details

Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine

Zur Zeit sind keine Termine bekannt.

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Unter "Medizinische Kommunikation" fallen vielerlei kommunikative Ereignisse, am prominentesten sicherlich das Gespräch zwischen ÄrztInnen und PatientInnen (APG), das uns in dieser LV zentral beschäftigen wird. Es ist geprägt von Unterschieden und Asymmetrien der InteraktionspartnerInnen in sozialer, emotionaler, interaktionsorganisatorischer und kognitiver Hinsicht. Im APG treffen häufig alltagsweltlich-existenzielle Relevanzen und professionell-kategoriale Orientierungen und divergierende Präferenzen für bestimmte Darstellungsformen aufeinander. D.h. für ÄrztInnen und PatientInnen sind im Gespräch unterschiedliche Dinge relevant, sie sehen das Krankheitsgeschehen aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit diesen Unterschieden müssen die Beteiligten im APG umgehen und sie bis zu einem gewissen Grad ausgleichen, damit die zentralen Handlungsziele erreicht werden können.

Wir wollen uns in der LV mit diesen divergierenden Relevanzsystemen beschäftigen, indem wir uns die unterschiedlichen "Stimmen", die im APG aufeinander treffen (Mishler 1984), vor Augen führen und das APG als Experten-Laien-Kommunikation begreifen. Auch die Präferenzen für unterschiedliche Darstellungsformen werden wir rekonstruieren, indem wir uns einerseits mit den den ärztlichen Präferenzen zugrunde liegenden medizinischen Konzepten und ihren Auswirkungen auf das ärztliche kommunikative Handeln (in den verschiedenen Gesprächstypen und Gesprächsphasen) und andererseits mit alltagsnäheren Rekonstruktionsformen wie dem Erzählen von Krankheitsgeschichten beschäftigen. Kontrastiv werden wir dazu auch Krankheitserzählungen außerhalb des APG (in Interviews oder alltäglichen Gesprächen) betrachten, um die Unterschiede und jeweiligen Spezifika von Krankheitsdarstellungen in professionellen vs. alltäglichen Kontexten deutlich herauszuarbeiten.

Nachdem wir uns einen Überblick über diese allgemeinen Aspekte medizinischer Kommunikation verschafft haben, wird es in einem zweiten Schritt darum gehen, einen fokussierten Blick auf zwei ausgewählte spezielle Aspekte zu werfen, nämlich auf
1. krankheitstypische Unterschiede und
2. geschlechtstypische Unterschiede
beim Sprechen über Krankheit.
Studien in Deutschland und England zu Anfallserkrankungen haben ergeben, dass die Art und Weise, wie PatientInnen über ihre Anfälle sprechen, Rückschlüsse auf die Art der Anfallskrankheit erlauben und damit für Differenzialdiagnose und Therapie entscheidende Hinweise geben kann. Wir werden uns mit den Ergebnissen dieser Studien beschäftigen und anhand von konkreten Beispielen aus Gesprächen die jeweils für bestimmte Formen von Anfallserkrankungen typischen Formulierungsmuster nachvollziehen.
Dass das Sprechen über Krankheit auch geschlechtstypische Unterschiede aufweist, haben u.a. Projekte hier in Wien ergeben: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sowohl bei akutem Brustschmerz als auch bei Kopfschmerzen Frauen und Männer ihre jeweiligen Beschwerden in systematisch unterschiedlicher Weise darstellen. Diese unterschiedlichen Darstellungsformen wollen wir uns genauer ansehen.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

- Teilnahme an der Einführung und den 2 Blöcken
- aktive Mitarbeit
- Referat bzw. Leitung einer Datensitzung
- schriftliche Ausarbeitung des Referats bzw. der Datensitzung

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Die Studierenden sollen die Besonderheiten kommunikativen Handelns im Gespräch zwischen ÄrztInnen und PatientInnen im Kontrast zum Sprechen über Krankheit im Alltag nachvollziehen. Darüber hinaus sollen sich die Studierenden mit spezifischen Fragestellungen medizinischer Kommunikation, wie jenen nach krankheits- und geschlechtstypischen Unterschieden, auseinandersetzen.
Die Aufarbeitung von Literatur zum Thema wird dabei ebenso wichtig sein wie die Entwicklung von konkreten Fragestellungen an ein Datenmaterial. Die Beantwortung dieser Fragestellungen durch ein gesprächsanalytisches Vorgehen soll in gemeinsamer Arbeit an Datenmaterial eingeübt werden.

Prüfungsstoff

Theorie-Input, Lehrgespräch, Referate, Datensitzungen

Literatur

Blasch, L./Menz, F./Wetschanow, K. (2010): Texttypspezifische und gendertypische Unterschiede in der Darstellung von Kopfschmerzen. In: Menz, F./Lalouschek, J./Sator, M./Wetschanow, K.: Sprechen über Schmerzen. Linguistische, kulturelle und semiotische Analysen. Duisburg: UVRR, 225-293.
Brünner, G. (2005): Arzt-Patienten-Kommunikation als Experten-Laien-Kommunikation. In: Neises, M.et al. (Hg.), 90-109.
Furchner, I. (2002): "keine absence gleicht der anderen". Die Darstellung von Bewusstseinslücken in Anfallsbeschreibungen. In: Brünner, G./Gülich, E. (Hg.): Krankheit verstehen. Interdisziplinäre Beiträge zur Sprache in Krankheitsdarstellungen. Bielefeld: Aisthesis Verlag, 121-141.
Gülich, E. (2005a): Krankheitserzählungen. In: Neises, M.et al. (Hg.), 73-89.
Gülich, E. (2005b): Unbeschreibbarkeit: Rhetorischer Topos - Gattungsmerkmal - Formulierungsressource. In: Gesprächsforschung - Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion: 222-244.
Gülich, E./Furchner, I. (2002): Die Beschreibung von Unbeschreibbarem. Eine konversationsanalytische Annäherung an Gespräche mit Anfallskranken. In: Keim, I./Schütte, W. (Hg.): Soziale Welten und kommunikative Stile. Festschrift für Werner Kallmeyer zum 60. Geburtstag. Tübingen: Narr, 161-186.
Gülich, E./Schöndienst, M. (1999): "Das ist unheimlich schwer zu beschreiben". Formulierungsmuster in Krankheitsbeschreibungen anfallskranker Patienten: differentialdiagnostische und therapeutische Aspekte. In: Psychotherapie und Sozialwissenschaft, Zeitschrift für Qualitative Forschung 199-227.
Lalouschek, J. (2005a): Inszenierte Medizin. Ärztliche Kommunikation, Gesundheitsinformation und das Sprechen über Krankheit in Medizinsendungen und Talkshows. Radolfzell: Verlag für Gesprächsforschung, Kap. 3.
Lalouschek, J. (2005b): Medizinische Konzepte und ärztliche Gesprächsführung - am Beispiel der psychosomatischen Anamnese. In: Neises, M.et al. (Hg), 48-72.
Menz, F./Lalouschek, J. (2005): Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Beschreibung von akutem Thoraxschmerz. In: Neises, M.et al. (Hg.), 174-185.
Neises, M./Ditz, S./Spranz-Fogasy, T. (Hg.) (2005): Psychosomatische Gesprächsführung in der Frauenheilkunde. Ein interdisziplinärer Ansatz zur verbalen Intervention. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.
Sator, M./Spranz-Fogasy, T. (20103): Medizinische Kommunikation. In: Knapp, K.et al. (Hg.): Angewandte Linguistik - ein Lehrbuch. Tübingen/Basel: Francke Verlag.
Schöndienst, M. (2002): Von einer sprachtheoretischen Idee zu einer klinischen Methode. Einleitende Überlegungen. In: Psychotherapie und Sozialwissenschaft.Zeitschrift für qualitative Forschung 4: 253-269.
Spranz-Fogasy, T. (2005): Kommunikatives Handeln in ärztlichen Gesprächen - Gesprächseröffnung und Beschwerdenexploration. In: Neises, M.et al. (Hg.), 17-47.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Codes alter Studienplan: 516, 525, 618, 621, 718

Letzte Änderung: Fr 31.08.2018 08:52