Universität Wien
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170501 UE Bewegt/Manifest. Filmschriften des Dissens (2023S)

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 30 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Donnerstag 09.03. 15:00 - 16:30 Seminarraum 3 2H467 UZA II Rotunde
  • Donnerstag 23.03. 15:00 - 18:15 Seminarraum 3 2H467 UZA II Rotunde
  • Donnerstag 20.04. 15:00 - 18:15 Seminarraum 3 2H467 UZA II Rotunde
  • Donnerstag 04.05. 15:00 - 18:15 Seminarraum 3 2H467 UZA II Rotunde
  • Donnerstag 25.05. 15:00 - 18:15 Seminarraum 3 2H467 UZA II Rotunde
  • Donnerstag 01.06. 15:00 - 18:15 Seminarraum 3 2H467 UZA II Rotunde
  • Donnerstag 15.06. 15:00 - 18:15 Seminarraum 3 2H467 UZA II Rotunde

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Manifeste, Flugblätter und Traktate durchkreuzen die Geschichte politischer Bewegungen. Sie sind als handschriftliche oder gedruckte Medien der Verbreitung Begleiter von gesellschaftlichen Umbrüchen und fordern dabei Teilhabe an einer politischen Öffentlichkeit. Zielgerichtet werden durch schriftliche Verbreitungsmedien Standpunkte eingenommen und die Adressat:innen zu Handlungen bzw. Veränderung derselben aufgerufen. Dabei umfassen Manifest, Flugblatt und Traktat eine erstaunliche Dopplung: einerseits ‚manifestieren‘ sie eine These, Ideologie oder Meinung und andererseits sollen sie sich ‚verbreiten‘ und in Bewegung geraten. Doch neben politischen Flugschriften gibt es ebenso zahlreiche ästhetische Manifeste. Die Geschichte der Avantgarden des 20. Jahrhunderts ist wohl mit keiner anderen Textform so sehr verbunden wie mit dem Manifest. Die schiere Anzahl an mitunter sehr unterschiedlichen futuristischen, dadaistischen, surrealistischen, lettristischen und situationistischen Manifesten und Flugblättern fordert eindeutige formale und stilistische Zuweisungen heraus. Obwohl eng mit der Moderne verbunden und schon als ‚Retro-Geste‘ abgetan, erfreuen sich Manifeste weiterhin großer Beliebtheit, betrachtet man bspw. jüngst erschienene Manifeste neuer ökologischer Bewegungen.

Doch auch in der Filmgeschichte findet sich ein umfangreiches Konvolut an manifest-artigen Texten zu Filmen, Bewegungen und Filmschulen. Sind es hier zunächst ästhetische Merkmale und Umbrüche, die von den Autor:innen gefordert werden, entstanden frühestens seit dem Sowjetkino und spätestens seit 1968 zahlreiche filmpolitische Manifeste. Der als Lektüre- und Forschungsseminar konzipierte Kurs soll sich diesem Zusammenhang von Film und schriftlichen Verbreitungsmedien innerhalb der Filmgeschichte widmen. Dabei gilt es nicht nur zu fragen, inwiefern Manifeste neue Filmbewegungen und ästhetische Brüche begleiten, sondern ob (wie von manchen Akteur:innen behauptet) Filme selber eine ‚manifestierende‘ Funktion einnehmen können. Die Möglichkeit der Übersetzung der Funktionen ‚geschriebener‘ zu ‚gefilmten‘ Manifesten, Flugblättern und Traktaten soll eingehend diskutiert und überprüft werden. Rund um diese Übersetzung, ‚Remediatisierung‘ oder ‚Intermedialität‘ werden filmtheoretische Diskussionen um die Zusammenhänge, Widersprüche und Missverständnisse zwischen Ästhetik und Politik geführt werden.

Die zu diskutierenden Film-Beispiele werden nach einer medien- und literaturwissenschaftlichen Einführung zum Begriff des Manifests weitläufig zu verorten sein. Ausgehend vom frühen sowjetischen Kino und dessen deutschen Ableger ‚Prometheus-Film‘ sowie politischen Avantgarde-Filmen im Frankreich der 1930er soll sich insbesondere folgenden Zeiträumen gewidmet werden: den Filmen der Lettristen in den 1950ern, dem 'Gegenkino' des Situationismus, den Flugblattfilmen und Ciné-Tracts in Berlin und Paris um 1968 und gegenwärtigen Beispielen aus Videokunst und Aktivismus, die sich in Reenactments und filmischen Zitaten mit der Geschichte des militante Kinos auseinandersetzen. Ausgehend von diesem vielfältigen Forschungsfeld sollen zusammen die Möglichkeiten und Grenzen der Form ‚Manifest-Film‘ bzw. der vielfältigen Zusammenhänge zwischen Manifest und Film ausgelotet werden.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

In diesem Lese- und Rechercheseminar steht insbesondere die Textdiskussion im Fokus. Es werden daher zu jedem Termin 1-2 längere Texte von bis zu 30-40 Seiten zu lesen sein. Beachten Sie diesen erhöhten Leseaufwand bei der Anmeldung zum Seminar! Die Lesearbeit ist in diesem Seminar zur Vertiefung in das Thema essentieller Bestandteil für die Teilnahme.

Leistungskontrolle:
1.) 6 Lektürekarten (1x pro Termin) / (ca. 1-2 Seiten)

2.) Einleitende Textvorstellung mit Diskussionsleitung (max 2 P. pro Text) oder kürzerer wissenschaftlicher Essay zu einem Themenaspekt des Seminars (im Umfang von 15 000 Zeichen; inklusive Fußnoten) bis Semesterende!

3.) Aktive Partizipation in den Diskussionen

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Anforderungen:
STEOP abgeschlossen!

Beurteilungsmaßstab:
Abgabe der Lektürekarten (40%); Einführung in Text und Diskussionsimpuls oder: wissenschaftlicher Essay (Abgabe bis Ende Juni!) (60%)

Prüfungsstoff

Ziele:
Reflexive Auseinandersetzung mit den medialen Eigenschaften von ‚Manifest‘, ‚Flugblatt‘ und ‚Tract‘; Verständnis verschiedener Prozesse der Intermedialität und des Reenactment in Bezug auf Texte und Filme; Differenzierung unterschiedlicher literaturwissenschaftlicher und filmwissenschaftlicher Zugänge zum Thema

Methoden:
Diskussion im Seminar, Vortrag, vorbereitende und gemeinsame Textlektüre, gemeinsame Filmsichtung und Analyse

Literatur

Literatur:
Nicole Brenez: À Propos du Nice and the Extremely Necessary, Permanent Invention of the Cinematic Pamphlet. In: Rouge Nr. 7, 2006.

Walter Fähnders: Vielleicht ein Manifest. Zur Entwicklung des avantgardistischen Manifestes. In: Asholt/Fähnders: Die ganze Welt ist eine Manifestation. Die europäische Avantgarde und ihre Manifest. WBG, Darmstadt 1997, S. 18-38.

Scott MacKenzie: What is a Manifesto-Film. In: Ders.: Film Manifestoes and Global Cinema Cultures. A Critical Anthology. UC Press, Berkeley 2014, S. 625-628.

Maria Muhle: HISTORY WILL REPEAT ITSELF. Für eine (Medien-)Philosophie des Reenactment. In: Hartman/Engell/Voss: Körper des Denkens. Neue Positionen der Medienphilosophie. Paderborn, Wilhem Fink, 2013, S. 113-134

Martin Puchner: Surrealism. Latent and Manifest/Epilogue. Poetry for the future. In: Ders: Poetry of the Revolution. Princeton Press, Princeton 2006, S. 179-195/S.259-262.

Jacques Rancière: Die Politik der Kunst und ihre Paradoxien. In: Ders.: Aufteilung des Sinnlichen. B_Books, Berlin 2008, S. 75-99.

Fernando Solanas/Octavio Getino: Towards a Third Cinema: Notes and Experiences for the Development of a Cinema of Liberation in the Third World (1969). In: Scott Mackenzie: Film Manifestoes and Global Cinema Cultures. A Critical Anthology. UC Press, Berkeley 2014, S. 230-249.

Jennifer Stob: The Cinétracts, Detournement, and Social Space in Paris. In: Mark Schiel: Architectures of Revolt. The Cinematic City circa 1968. Temple UP, Philadelphia 2018, S. 35-65

Andrew Uroskie: Beyond the Black Box. The Lettrist Cinema of Disjunction. In: October 135, Winter 2011, S. 21-48.

Werner Rappl: Schweigen, Geheul, Applaus. Zu den Filmen Guy Debords. In: Maske und Kothurn, Jahrgang 52, Heft 3, 2006

Weiterführende Literatur:
Bürger, Peter: Theorien der Avantgarde. Frankfurt, a.M., Suhrkamp, 1974.
Cabanas, Kaira: Off Screen Cinema. Isidore Isou and the Lettrist Avant-Garde. Chicago, Chicago University Press, 2015
Eshun, Kodwo/Ros, Gray: The Militant Image – A Ciné-Geography. Third Text, Vol. 25, 1, 2011
Levin, Thomas Y.: Dismantling the spectacle. The cinema of Guy Debord. In: Tom McDonough: Guy Debord and the Situationist International. Texts and Documents. Cambridge MA, MIT Press, 2004
Marcus, Greil: Lipstick Traces: von Dada bis Punk - eine geheime Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Hamburg, Rowohlt, 1996

Wird auf Moodle bereitgestellt!

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Fr 03.03.2023 12:28