Universität Wien
Achtung! Das Lehrangebot ist noch nicht vollständig und wird bis Semesterbeginn laufend ergänzt.

180102 VO-L Technik und Psyche (2012W)

5.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 18 - Philosophie

Details

Sprache: Deutsch

Prüfungstermine

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Freitag 12.10. 10:00 - 12:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
  • Freitag 19.10. 10:00 - 12:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
  • Freitag 09.11. 10:00 - 12:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
  • Freitag 16.11. 10:00 - 12:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
  • Freitag 23.11. 10:00 - 12:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
  • Freitag 30.11. 10:00 - 12:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
  • Freitag 07.12. 10:00 - 12:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
  • Freitag 14.12. 10:00 - 12:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
  • Freitag 11.01. 10:00 - 12:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
  • Freitag 11.01. 12:00 - 14:00 Hörsaal 2i NIG 2.Stock C0228
  • Freitag 18.01. 10:00 - 12:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
  • Freitag 25.01. 09:00 - 10:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
  • Freitag 25.01. 10:00 - 12:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Ausgangspunkt der LV ist der griechische Begriff der techné mit seinem sehr weiten Bedeutungsfeld, das von der Rhetorik über Logik, Poetik und Ethik bis zur Handwerkskunst reicht. Diese Komplexität spiegelt sich in heutigen Technologiedebatten wieder, vor allem wenn man neben den industriellen Hochtechnologien auch die Macht- und Selbsttechnologien (Foucault), die Vergnügenstechnologien, die Psychotechnologien (Stiegler) oder die gerade erst emergierenden Neurotechnologien miteinbezieht.

Diesem Ansatz liegt die Überzeugung zugrunde, dass eine Technikphilosophie, die dieses Spektrum nicht berücksichtigt, fundamentale Fragen des technischen Bezugs des Menschen zur Umwelt, zur Gesellschaft und zu sich selbst nicht in den Blick bekommt. Von und über Technik muss gesprochen werden, sobald es ein performatives Wissen gibt, das wiederholt zur Anwendung kommen kann (Herstellungswissen, Fertigkeit, Kompetenz etc.).

In einem zweiten Schritt wird diese Komplexitätserhöhung wiederum durch die Fokussierung auf das Wechselverhältnis von Technik und Psyche reduziert und für den Rahmen einer LV handhabbar gemacht. Dabei müssen mehrere Ebenen unterschieden werden:
(1.) In welcher Weise formt eine beliebige Technik ihre Anwender, ohne dass diese Formung intendiert gewesen wäre? Dieser Frage wird exemplarisch anhand der Lektüre von Derrick de Kerckhoves "Schriftgeburten" nachgegangen, worin die unintendierten Auswirkungen der Kulturtechnik des Schreibens untersucht werden.
(2.) Mit welchen Techniken formen Menschen ihre eigene Psyche bzw. die Psyche anderer? Für diese Frage bietet die antike Rhetorik und Poetik das wohl früheste Quellenmaterial, das bis zur Gegenwart die Diskurse (z.B. des Designs) strukturiert.
(3.) Mit welchen Techniken schützen sich Menschen vor den unerwünschten Einwirkungen anderer Techniken? Diese Frage leitet zum Feld psychischer Immunisierungen über, das beispielgebend in der stoizistischen Ethik abgesteckt worden ist und ebenfalls bis heute immer wieder aufgegriffen wird (wie etwa in der Lebenskunstdebatte).

Diese Fragestellungen beruhen auf der Einsicht, dass es kein technikfreies Verhalten und somit auch keinen Ausweg aus der Technik geben kann; auch die philosophische Reflexion ist Technik. Die Kritik an ihr kann daher nicht von außen erfolgen, sondern muss technikimmanent verlaufen. Hier eröffnen sich freilich vielfache notwendige Differenzierungen, denen die LV nachgehen bzw. die sie weiterentwickeln wird.
In Auseinandersetzung u.a. mit den neueren Arbeiten von Bernard Stiegler wird etwa der Frage nachgegangen, worin sich "gute", also emanzipatorische, autonomisierende, kritische Psychotechniken von "schlechten", also unterdrückenden, gleichschaltenden, affirmativen Psychotechniken in concreto unterscheiden. Bei Stiegler, Virilio u.a. finden die nun seit mehreren Philosophengenerationen immer wieder ausformulierten Ängste bezüglich einer sich verselbständigenden Technik, deren Wirkungen möglicherweise nicht mehr in der Verfügungsgewalt des Menschen stehen, eine für die Gegenwart denkwürdige Neufassung. Wie sehr deren apokalyptischen Schlussfolgerungen überzeugen können, soll im Rahmen der LV überprüft und diskutiert werden.

Horizont dieser Auseinandersetzung ist letztlich ein Bild der Philosophie selbst als einer Tätigkeit, die auf kritische Weise sowohl ihr eigenes als auch fremdes (z.B. rhetorisches, ästhetisches, diätetisches, psychologisches) Wissen dafür einsetzt, Psychen zu formen, die gegenüber unerwünschten Einwirkungen immuner, zugleich aber für erwünschte (Selbst-)Affektionen empfänglicher wären.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Schriftliche Klausur, auf Wunsch auch mündliche Prüfungen.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Basiswissen bezüglich der grundsätzlichen Fragestellungen der Technikphilosophie. Anregung zur weiteren Beschäftigung mit zeitgenössischen Debatten bezüglich der Verflechtung von Technik und Psyche.

Prüfungsstoff

Vortrag und gemeinsame Analyse ausgewählter Textpassagen (ca. 60 Minuten), anschließend Ermunterung zu Rückfragen und Diskussionen (ca. 30 Minuten).

Literatur

Vorläufige Literaturliste:
ANDERS, Günther: Die Antiquiertheit des Menschen I und II, München 1956/1980.
ARISTOTELES: Rhetorik, München 1980.
CASSIRER, Ernst: "Form und Technik", in: Symbol, Technik, Sprache, Hamburg 1995.
DE KERCKHOVE, Derrick: Schriftgeburten. Vom Alphabet zum Computer, München 1995.
FOUCAULT, Michel: Schriften IV, Frankfurt am Main 2005.
HEIDEGGER, Martin: "Die Frage nach der Technik", in: Vortrage und Aufsätze, Stuttgart 2004.
HÖRL, Erich (Hg.): Die technologische Bedingung, Berlin 2011.
LEM, Stanislaw: Die Technologiefalle, Frankfurt am Main/Leipzig 2000.
MÜLLER, Oliver: Zwischen Mensch und Maschine, Berlin 2010.
MUMFORD, Lewis: Der Mythos der Maschine, Frankfurt am Main 1978.
SCHRAGE, Dominik: Psychotechnik und Radiophonie, München 2001.
STIEGLER, Bernard: Logik der Sorge, Frankfurt am Main 2008.
ders., Von der Biopolitik zur Psychomacht, Frankfurt am Main 2009.
UEDING, Gert: Moderne Rhetorik, München 2000.
VIRILIO, Paul: Die Verwaltung der Angst, Wien 2011.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

BA M 7.2, PP § 57.1.12

Letzte Änderung: Sa 10.09.2022 00:19