Universität Wien
Achtung! Das Lehrangebot ist noch nicht vollständig und wird bis Semesterbeginn laufend ergänzt.

180240 SE Lebens-Formen (2008W)

Der Begriff des Lebens zwischen Biopolitik und Ästhetik der Existenz

5.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 18 - Philosophie
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

alle Blocktermine jeweils Freitags, 14-18 Uhr im Hörsaal 2 H
17 Okt Vorbesprechung
31 Okt
28 Nov
9. Jan
16 Jan

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 45 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine

Zur Zeit sind keine Termine bekannt.

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Im letzten WS 2007/8 stand Giorgio Agambens erster Band der mehrteiligen "Homo sacer"-Studie im Zentrum. Ein Grundbegriff dieser Analyse, die sich vor allem auf das Spannungsfeld zwischen Politik, Ethik und Recht konzentriert, ist das "bloße" oder "nackte" Leben. Dieser Lebensbegriff, der sich an der griechische Unterscheidung zwischen 'zoé' (Kollektivsingular für unspezifisches Leben) und 'bios' (geformtes, individuelles Leben) orientiert, verweist auf ein zunächst aus der politischen Sphäre des 'guten' oder 'gerechten' Lebens ausgeschlossenes Leben, das durch die Instanz der Souveränität zugleich ausgeschlossen und unter Bann gestellt wird.
Diese Opposition befindet sich aber in großer Affinität zu einer 'doppelten Buchführung' des späten Michel Foucault, der teils in getrennten Studien, teils in bewusster Verdichtung gleichzeitig die große historische und soziale Formation der Biopolitik als Sorge um die Bevölkerung mit den Konstruktionsweisen von Subjektivität und einer 'Sorge um sich' untersucht und auf einander bezieht. Nicht nur dass Foucault das Dispositiv der Biopolitik an der Schwelle zur Moderne ansiedelt (im 18. Jahrhundert) während er aber die intime 'Sorge um sich' vor allem in den Bänden 2 und 3 der großen Studie 'Sexualität und Wahrheit' bis in die griechische Antike zurückverfolgt, hat es den Nachkommenden erschwert, diese zwei Linien parallel zu führen.
In einer kritischen Überprüfung der These Agambens ist da erneut anzusetzen, wo Foucault erstmals programmatisch die Verbindungen zwischen Individuum und Bevölkerung anvisiert: im entscheidenden Schlusskapitel von 'Sexualität und Wahrheit', 'Recht über den Tod und Macht zum Leben', 1976.
Darin findet sich der programmatische Absatz:
"In dem von ihnen gewonnenen und forthin organisierten und ausgeweiteten Spielraum nehmen Macht- und Wissensverfahren die Prozesse des Lebens in ihre Hand, um sie zu kontrollieren und zu modifizieren. Der abendländische Mensch lernt allmählich, was es ist, eine lebende Spezies in einer lebenden Welt zu sein, einen Körper zu haben sowie Existenzbedingungen, Lebenserwartungen, eine individuelle und kollektive Gesundheit, die man modifizieren, und einen Raum, in dem man sie optimal verteidigen kann. Zum ersten Mal in der Geschichte reflektiert sich das Biologische im Politischen. Die Tatsache des Lebens ist nicht mehr der unzulängliche Unterbau, der nur von Zeit zu Zeit, im Zufall und in der Schicksalhaftigkeit des Todes ans Licht kommt." (ebd., S.169)

Ausgehend von Foucaults doppelten Ansätzen zu Biopolitik und Subjektivierung werden aktuelle Debatten zur Transformation der "Lebens-Formen" diskutiert und abschließend mit Paolo Virno ein neuerer Theoretiker zur Schnittstelle von Ökonomie und Biopolitik vorgestellt.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Prüfungsstoff

Die LV ist eine Vorlesung, die Material, Reflexionen, Lektüren und Thesen vorstellt, im weiteren Verlauf aber auch Beiträge der Studierenden (Protokolle, Referate, Diskussionen) miteinbezieht. Die LV ist eher für Fortgeschrittene geeignet.

Literatur

Agamben, Giorgio: ¿Lebens-Form', in: Joseph Vogl: Gemeinschaften. Positionen zu einer. Philosophie des Politischen, Frankfurt 1994, 251 - 258.
Mittel ohne Zweck. Noten zur Politik. Aus dem Ital. von Sabine Schulz, Freiburg (Breisgau) u.a.: Diaphanes-Verl. 2001.
Bernauer, James W.: ¿Jenseits von Leben und Tod. Zu Foucaults Ethik nach Auschwitz'. In: Magiros, Angelika: Foucaults Beitrag zur Rassismustheorie, Hamburg 1995.
Foucault, Michel: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften (Les mots et les choses, 1966). Frankfurt/Main: Suhrkamp 1971
- Sexualität und Wahrheit 1. Der Wille zum Wissen. Frankfurt/Main 1979.
- Sexualität und Wahrheit 3. Die Sorge um sich, übers. von Ulrich Raulff u. Walter Seitter, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1989.
- In Verteidigung der Gesellschaft. Vorlesungen am Collège de France (1975-76), Aus dem Französischen von Michaela Ott, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1999.
- Geschichte der Gouvernementalität I. Sicherheit, Territorium

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

§ 4.1.3, BA M12, PP § 57.3.3

Letzte Änderung: Mo 07.09.2020 15:36