Universität Wien
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190204 SE M5.4 Historische und gesellschaftliche Bedingungen des Lehrens und Lernens (2012W)

Österreichbild und politische Bildung in der Schule. - Die Republikbücher des Wiener Stadtschulrates 1928 und die Österreich-Bücher des Unterrichtsministeriums 1934-38

5.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 19 - Bildungswissenschaft
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Dienstag 16.10. 17:00 - 20:15 Seminarraum 1 Sensengasse 3a 1.OG
  • Dienstag 30.10. 17:00 - 20:15 Seminarraum 1 Sensengasse 3a 1.OG
  • Dienstag 13.11. 17:00 - 20:15 Seminarraum 1 Sensengasse 3a 1.OG
  • Dienstag 27.11. 17:00 - 20:15 Seminarraum 1 Sensengasse 3a 1.OG
  • Dienstag 11.12. 17:00 - 20:15 Seminarraum 1 Sensengasse 3a 1.OG
  • Dienstag 15.01. 17:00 - 20:15 Seminarraum 4 Sensengasse 3a 1.OG
  • Dienstag 22.01. 17:00 - 20:15 Seminarraum 1 Sensengasse 3a 1.OG

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

1918/19: Neu war dieses Österreich nach seinem (nun kleinen) Territorium, neu nach einer Mehrheit seiner nun deutschen Bewohner, neu auch nach seiner (nun republikanischen) Verfassung. Die Menschen, die hier lebten, waren noch in den Verhältnissen der Habsburgermonarchie aufgewachsen und erzogen worden, hatten ihre Erfahrungen in und mit der Monarchie, der Kirche, dem Ersten Weltkrieg und der unmittelbaren Nachkriegszeit gemacht. Neben den Fragen des Überlebens und der Alltagsbewältigung war da die Frage "Was ist der neue Staat? Was soll er werden, wie sich entwickeln, welche Art zu leben soll in ihm die richtige sein"? Die erstarkten politischen Lager befanden sich in einem Gezerre um diese ebenso theoretischen wie alltagsrelevanten Frage. Mit ihnen ging einher: Welche Vorstellung von Österreich - dem vergangenen, bestehenden und künftigen - von einem Leben in diesem Land, soll der nachwachsenden Generation vermittelt werden? Die Schule war also mitten drin. Sie sollte die "richtigen" Bilder vermitteln, und war doch selbst Gegenstand der um die "Richtigkeit" der Schule streitenden Lager.

1928 bestand dieses neue Österreich als eine Republik seit nunmehr 10 Jahren. Aus diesem Anlass brachte der Wiener Stadtschulrat zwei Bücher heraus. Das eine, vermutlich für Kinder der 3. und 4. Schulstufe, trug den Titel "Hoch die Republik. Zur zehnten Wiederkehr des 12. November 1918". Seine Einleitung beginnt folgendermaßen:
"Liebe Kinder! Mädel und Buben! Dieses Buch schenkt Euch die Gemeinde Wien. Es ist eine Festgabe zum 12. November 1928, dem 10. Geburtstag des Freien Volksstaates, der Republik Österreich. - Wie es dazu gekommen ist, dass wir jetzt keinen Kaiser mehr haben, sondern in einem Freistaat, einer Republik leben und warum das Leben in einer Republik schöner ist als unter einem Kaiser oder König, das werdet ihr alle sehr gut verstehen, wenn ihr dieses Buch gelesen habt. Ihr werdet es mit eurem Lehrer oder eurer Lehrerin in der Schule lesen und sie werden euch manches erklären, was ihr mit eurem kindlichem Verstande allein vielleicht noch nicht begreifen könnt."
Das zweite Buch, vermutlich für Kinder der 5.-8. Schulstufe, hieß "Um Freiheit und Menschenwürde. Ein Lebensbuch deutscher Dichtung".

Entgegen der Gesetzeslage wurden die Bücher nicht zur Approbation eingereicht, sondern gleich an die Wiener Volks- und Hauptschulen geliefert und dort den Kindern übereignet. (Anders als in der heutigen Schulbuchaktion erhielten Kinder Schulbücher damals nicht übereignet; die hier gemachte Ausnahme unterstrich den Festcharakter des Anlasses.) Allerdings, das Unterrichtsministerium hätte sie auch nicht approbiert, würden sie doch aus seiner Sicht die "Achtung vor der großen Vergangenheit unseres Landes" verletzen und "aufreizend und verbitternd auf die jugendlichen Seelen wirken". Der Salzburger Historikers Herbert Dachs hat den Schriftverkehr zw. Unterrichtsministerium (BM Richard Schmitz) und Wiener Stadtschulrat (Otto Glöckel) eingesehen und zusammengefasst in "Schule und Politik. Die politische Erziehung an den österreichischen Schulen 1918 bis 1938". Das BMU verbot die Verteilung der Bücher. Der Stadtschulrat entgegnete, die Verfügung komme zu spät, die Verteilung sei bereits erfolgt. Das BMU konterte nun mit dem Verbot des Gebrauchs der Bücher in den Schulen. Mit einiger Verzögerung folgte der Stadtschulrat dieser Aufforderung und gab einen entsprechenden Verbots-Erlass an die Schulen.

Sieben Jahre nach dem Republik-Jubiläum von 1928 approbierte das Unterrichtsministerium (BM Kurt Schuschnigg) drei Schriften für den Schulgebrauch: "Mein Vaterland mein Österreich" (für die 3. Schulstufe), "O du mein Österreich" (für die 4. u. 5. Schulstufe) und "Hoch Österreich!"(für die 6.u.7. Schulstufe). Kontroversen über Unterrichtsmedien, wie sie in der Ersten Republik zwischen den politischen Lagern stattfanden, erfolgten 1935 nicht mehr - wir befinden uns im autoritären Ständestaat, das Parlament war aufgelöst, die Sozialdemokratische Arbeiterpartei und ihre Vorfeldorganisationen (Kinderfreunde, Sozialistischer Lehrerverein, Naturfreunde etc.) waren (ebenso wie NSDAP und KPÖ) bereits aufgelöst und eine entsprechende Betätigung verboten. Der bisherige Unterrichtsminister Richard Schmitz wurde als Wiener Bürgermeister eingesetzt (nicht gewählt) und als solcher auch oberster Leiter des Wiener Stadtschulrates.

Wir haben es im SE also mit zwei Textkörpern zu tun, mit zwei Schriften von 1928 und mit drei Schriften von 1935. Gemeinsam haben beide, dass sie erziehliche Absichten im schulischen Zusammenhang realisieren möchten und dass sie innerhalb ungefähr desselben Zeitraums erschienen sind. Der Unterschied besteht darin, dass sie in unterschiedlichen politischen Systemen hergestellt wurden, aus unterschiedlichen politischen Lagern kamen und die eingangs gestellten Fragen auf unterschiedliche Weise beantwortet haben. Das wollen wir uns näher ansehen.
Wir werden uns mit den textlichen und bildlichen Aussagen auseinandersetzen. Was sind die zentralen (thematischen) Aussagen? In welcher Weise werden sie dargestellt (Ambivalenzen zulassend oder entproblematisierend und abgedichtet gegen Fragen, dogmatisch, Bildsprache der Illustrationen...)? Welche Seiten der Kinder werden durch die Darstellungen vermutlich "angefordert"/stillgelegt? Welche Erwartungen an die jungen Leser und Leserinnen werden implizit und explizit artikuliert, welche Vorbilder angeboten, welches Österreich und welches Leben wird als wünschenswert präsentiert? Welche Rückgriffe auf Geschichte erfolgen? Für welche Erinnerung und für wessen Erinnerung wird in den Büchern Sprachraum zur Verfügung gestellt? In welches Verhältnis wird Vergangenheit zu Gegenwart und Zukunft gebracht? Welche Querstände bzw. welche Öffnungen gegenüber NS-Ideologie beinhalten die Bücher? Wer sind die AutorInnen und IllustratorInnen? Lässt sich etwas in Erfahrung bringen über ihr Werk und seine ideologische Verortung, bei damals zeitgenössischen AutorInnen über ihr Wirken zwischen 1938 und 1945, schließlich 1945ff? Wodurch unterscheiden sich die genannten Republikbücher und Ständestaatsbücher voneinander - die doch beide sowohl einen pädagogischen Anspruch haben, als auch für das richtige Staatswesen und ein richtiges Leben zu votieren glauben?

Es wird schon klar: Eine quantitative Einschränkung der beiden Textkörper als unser Untersuchungsgegenstand muss erfolgen. M.W. gibt es über sie keine Untersuchung. Das heisst: Neugier, Phantasie, Sensibilität, Selbstreflexion, Mobilisierung eigener und fremder Wissensbestände sind sehr erwünscht. Workshopcharakter und abschließende SE-Arbeit.
Die genannten Quellentexte kommen in den Semesterapparat.
Zwei Bucheinbände siehe unter:
http://bildungswissenschaft.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/p_bw_hist_vergl_schul_bild_forsch/VVZ-Kommentar1_M5_4.jpg
http://bildungswissenschaft.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/p_bw_hist_vergl_schul_bild_forsch/VVZ-Kommentar2_-_M5_4.jpg

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Prüfungsstoff

Literatur


Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

M5.4

Letzte Änderung: Mo 07.09.2020 15:37