230566 SE Die Politik der Tatsachen (2008S)

Wissenschaftliche Fakten und gesellschaftliche Werte werden in vielen Diskussionen über Wissenschaft, Forschung und Technik als Gegensätze präsentiert, die am besten getrennt bleiben sollten: Wissenschaft soll sich um objektive Fakten kümmern, die Gesellschaft um Fragen der Werte und Moral. Während die Trennung von Wissenschaft und Gesellschaft - und damit von "Fakten" und "Werten" - immer noch als die ideale Form des Umgangs mit Technik und Innovation gesehen wird, gibt es insbesondere in den letzten Jahrzehnten einige Entwicklungen, die vermuten lassen, dass die strikte Trennung von Fakten und Werten zumindest problematisch ist. Vielmehr kann man auch die Grenzziehung zwischen Fakten und Werten als eine politische Handlung ansehen, die mit dem Versuch der Durchsetzung unterschiedlicher Interessen verbunden ist.
Dieses Seminar versucht sich sowohl theoretisch aus dem Blickwinkel der Wissenschaftsforschung als auch anhand konkreter Beispiele diesem Themenfeld zu nähern. Unter anderem wird diskutiert: Wissenschaftliche Expertise im Spannungsfeld mit anderen gesellschaftlichen Wertesystemen; Bioethik als Verwissenschaftlichung von Werten und Moral; Naturwissenschaftliche "Fakten"-Konstruktionen (Rasse, Geschlecht etc.). Die Beispiele aus verschiedenen Wissenschaftsfeldern sollen einige Schlaglichter auf diese breite Problematik werfen, um ein möglichst breites Spektrum zu reflektieren.

Einige zentrale Fragestellungen des Seminars sind: Welche Rolle spielen Werte in der Wissenschaft? Welche Wertigkeiten vermittelt Wissenschaft insbesondere im Kontrast zu gesellschaftlichen Werten? Wie gehen verschiedene Wissenschaften mit der Frage der eigenen Normativität um? Welche Wertsysteme werden als zulässig für die Wissenschaft gesehen, welche gelten als weniger legitim?