Universität Wien
Achtung! Das Lehrangebot ist noch nicht vollständig und wird bis Semesterbeginn laufend ergänzt.

460008 SE Forschungsseminar (2016S)

Hot Spots aktueller Psychopolitik: Affektive Dispositive

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

Anmeldung beim LV-Leiter unter thomas.slunecko@univie.ac.at

Details

Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Freitag 18.3. 13:15 - max. 18:15, HS E

Freitag, 20. Mai 13:15- max. 18.15
Samstag 21.Mai 13-18 Uhr

Freitag, 10. Juni 13:15- max. 18.15
Samstag 11.Juni 13-18 Uhr

  • Freitag 18.03. 13:15 - 18:15 Hörsaal E Psychologie, Liebiggasse 5 1. Stock
  • Freitag 20.05. 13:15 - 18:15 Hörsaal E Psychologie, Liebiggasse 5 1. Stock
  • Samstag 21.05. 13:00 - 18:00 Hörsaal E Psychologie, Liebiggasse 5 1. Stock
  • Freitag 10.06. 13:15 - 18:15 Hörsaal E Psychologie, Liebiggasse 5 1. Stock
  • Samstag 11.06. 13:00 - 18:00 Hörsaal F Psychologie, Liebiggasse 5 1. Stock

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Michel Foucault hat in den 1970er-Jahren dem Begriff 'dispositif' zu neuer Prominenz verholfen, indem er ihn nicht mehr nur als (militärische/maschinelle) Ordnung oder (juristische) Anordnung auffasste, sondern als ein Netz von Diskursen und Praktiken, von Architekturen und Objekten, die insgesamt den Rahmen dafür abgeben, was in einem gegebenen Feld gesagt und v.a. getan werden kann. Seine konkreten Analysen richteten sich auf das Gefängnis-, das Sicherheits- wie auf das Sexualitätsdispositiv. Die machtkritische Dimension des Begriffs inspirierte seit den 1990er-Jahren materielle Dispositivanalysen (vgl. Bührmann/Schneider 2008) und inspiriert ganz aktuell auch Analysen der Machttechniken gegenwärtiger Psychopolitk (Han, 2014).

Wir wollen in dem Seminar den Dispositivbegriff sowohl grundbegrifflich erarbeiten (Hubig 2000, Agamben 2008) als auch aktuellen Entwicklungen im 'affektiven Dispositiv' (Angerer 2007) nachspüren. Dabei werden uns Social Media-Anwendungen bezüglich des Quantified Self und des Life-Tracking ebenso beschäftigen wie der klassische massenmediale Bereich des Radios, Kinos und Fernsehens, samt Seitenblicken auf aktuellen Tendenzen wie Gamification, Affective Computing und die Versuche der technischen Verfügbarmachung des Affektiven (z.B. durch das von Paul Ekman mitentwickelte Facial Action Coding System).

Diese Fokussierung auf aktuelle und technoaffine Phänomene wird in einem nächsten Schritt methodisch eingeklammert bzw. mit einem historischen Rückblick gegengeschnitten, aus dem heraus u.U. aber erst die Tragweite der gegenwärtigen Neuformatierung des Affektiven ersichtlich werden kann: Insbesondere die kanadische Schule der Medientheorie hat die Bedeutsamkeit der (altgriechischen) Alphabetisierung eingehenden Analysen unterzogen (Havelock 2007) mit dem Befund, dass der Schriftgebrauch als 'Psychotechnologie' zu bewerten sei, mit deren Hilfe das Psychische sich vollkommen neu organisiert und die Form der Subjektivierung erst jene für uns heute geläufige Grundform gefunden hat (Taylor 1996; Jaynes 1988; de Kerckhove 1995).

Auf dieser Basis werden wir uns schließlich den zeitgenössischen Neubelegungen des Affektbegriffs von Gilles Deleuze/Felix Guattari (1992) und Brian Massumi (2002, 2015) zuwenden. Letzterer versteht unter Affekt ein im Körper sich entfaltendes Ereignis, das zunächst außerhalb des Bewusstseins auftritt und vom Subjekt immer nur unzureichend und im Nachhinein zunächst als Gefühl und schließlich - im Rahmen eines kulturell formatierten Registers - als Emotion erfasst werden kann. Dass in diesen Tagen sowohl hochtechnisierte Zugriffe auf das Affektive als auch poststrukturalistische Neufassungen des Affektiven in Erscheinung treten, die dessen Unverfügbarkeit betonen, ergibt eine interessante Spannung, die wir gegenwartsdiagnostisch fruchtbar machen wollen.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

aktive Mitarbeit, schriftliche Seminararbeit

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Bereitschaft zu verpflichtender Lektüre zwischen den Seminareinheiten

Prüfungsstoff

Literatur

Agamben, Giorgio (2008): Was ist ein Dispositiv. Zürich/Berlin: Diaphanes.

Angerer, Marie-Luise (2007): Vom Begehren nach dem Affekt. Zürich/Berlin: Diaphanes

Bührmann, Andrea D./Schneider, Werner (2008): Vom Diskurs zum Dispositiv. Eine Einführung in die Dispositivanalyse, Bielefeld: Transcript

Deleuze, Gilles/Guattari, Felix (1992): Tausend Plateaus. Berlin: Merve

Havelock, Eric (2007 [1982]): Als die Muse schreiben lernte. Eine Medientheorie. Berlin: Wagenbach

Han, Byung-Chul (2014): Psychopolitik. Neoliberalismus und die neuen Machttechniken. Frankfurt: Fischer

Hubig, Christoph (2000): Dispositiv als Kategorie. Internationale Zeitschrift für Philosophie, H. 1, S. 35-47

Julian Jaynes (1988 [1977]): Der Ursprung des Bewusstseins durch den Zusammenbruch der bikameralen Psyche. Reinbek: Rowohlt

de Kerckhove, Derrick (1995 [1990]): Schriftgeburten. Vom Alphabet zum Geburten. München: Fink

Massumi, Brian (2002 [1995]): The Autonomy of Affect. In Parables for the Virtual. Durham & London: Duke UP, S. 23-45

Massumi, Brian (2015): In lieu of a conclusion. In: Politics of Affect. Cambridge/Malden, Ma: Polity Press, S. 204-215

Charles Taylor (1997): Quellen des Selbst: Die Entstehung der neuzeitlichen Identität. Frankfurt: Suhrkamp


Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Mo 07.09.2020 15:47