140302 KU Introductory Seminar: Transdisciplinary Development Research II (2009W)

Sowohl in der alltagsweltlichen Verwendung ebenso wie in unterschiedlichen historischen und aktuellen Entwicklungsdiskursen werden die Begriffe Kultur, Identität und Geschlecht häufig derart verwendet, als ob sie eine eindeutige Zugehörigkeit, Eigenschaft bzw. ein spezifisches Verhalten oder Merkmal von Individuen oder Gruppen beschreiben könnten. Es ist die Rede von der "Kultur" der Nation X, des "Stammes" XY, der Bewahrung der "kulturellen Identität" durch die Gruppe XZ. Und jede/R auf der Welt hat scheinbar ein und nur ein Geschlecht. Kultur, Identität und Geschlecht erscheinen demnach als statische, unveränderbare oder gar "natürliche" Eigenschaften von Individuen.
In dem Proseminar zur transdisziplinären Entwicklungsforschung wollen wir nun auf der Basis ausgewählter Ansätze aus den Cultural, Postcolonial, Queer und Gender Studies diese vermeintliche Eindeutigkeit von Kultur(en), Identität(en) und Geschlecht(ern) kritisch in den Blick nehmen. Kultur, Identität und Geschlecht erscheinen darin nämlich nicht mehr als fixierbare, eindeutige Sachverhalte, sondern als ambivalente und hochkomplexe sozio-kulturelle Phänomene, die durch unterschiedliche kulturelle, soziale, ökonomische und politische Prozesse - vor allem auch kolonialen (Herrschafts-)Prozesse - produziert, funktionalisiert und aufrechterhalten werden. In diesem Zusammenhang soll auch sichtbar werden, wie die Annahme einer eindeutigen "Kultur", "Identität" oder eines "Geschlechts" jeweils auch mit sozio-ökonomischen Ungleichheits- und Machtverhältnissen korrespondiert.
Auf Basis einer grundlegenden kritischen Neubewertung der drei Begriffe beschäftigen uns auch aktuelle gesellschaftspolitische und wissenschaftliche Debatten u.a. zu Multikulturalismus, Migration und Geschlechter(un)gleichheit, dem Verhältnis von Neo/Kolonialismen, Sexualität und Geschlechterverhältnissen sowie Post/Development und einer Rückkehr zur (vermeintlichen) "kulturellen Identität".