170045 SE Seminar: Negotiations of the Subject (2013W)

In diesem Seminar werden die beiden extremen Pole der Weltanschauung, die unser Weltbild und Verhalten seit der Aufklärung bestimmen, einander gegenübergestellt. Auf der einen Seite finden wir das rationale Über-Ich Sherlock Holmes, dessen Berufsleben eine Verherrlichung der Kausalität, des Wissens und des Intellekts ist (sein Privatleben steht auf einem anderen Blatt). In Holmes’ Welt hilft kein Beten und kein Weihrauch, er vertraut als Rätsellöser auf Physik und Chemie; Gott ist kein Thema.
Auf der Gegenseite finden wir Van Helsing, den fanatischen Vampirjäger, der – ebenso im Namen der Wissenschaft, der Aufklärung und der Vernunft - mit Knoblauch, Kreuz und Pfahl hinter den Untoten/Unmenschen/Untermenschen her ist, um sie und uns mit Gottes Hilfe zu „erlösen“. Van Helsing ersetzt Holmes Physik durch Metaphysik, Ratio durch Religion, Rätsellösen durch den Erlöser, - noch das scheußlichste Monster weicht vor zwei gekreuzten Kerzenständern (oder sonstigem zuhandenen Zeug) zurück.

Mit Freuds Traumdeutung bekommen wir eine Art assoziativer Übersetzungsmaschine, die es uns erlaubt, Dracula und Sherlock Holmes psychoanalytisch zu dekodieren, wobei zu fragen ist, wer denn nun auf die Couch zu legen wäre, um die latenten Motive hinter den manifesten Äußerungen zu ent-decken: die Figuren, die Autoren oder wir, die LeserInnen.
Jack El-Hais Buch über die Lobotomie zeigt die historischen, psychiatrischen und politischen Motive, die von der Pfählung der ungehorsamen Herzen (Die Liebe ist stärker als der Tod) zur gepfählten Gehirnen (Lobotomie) der Unangepassten und Außenseiter führen.
Eli Wiesels autobiographische Werke wiederum stellen die Verbindung zu politischen Symbolik und Realität her, in der – homo homini lupus – Menschen von anderen Menschen (teilweise auch im Namen der Wissenschaft) zu Untermenschen, Tieren und eben Vampiren gemacht werden, die man – ja nach herrschender Ideologie - nicht nur verfolgen, einsperren und töten kann sondern sogar muss.