170673 SE Seminar: Negotiations of the Subject (2014S)

Im Denken und Schreiben Friedrich Nietzsches taucht von Anfang an als zentrale Bezugsgröße der Name Dionysos auf, des griechischen Gottes des Rausches, des Weins und des Theaters also. Seine Züge und Eigenschaften werden in der Entwicklung Nietzsches variieren - wobei gerade solche Verwandlungen dem Prinzip des Dionysischen selbst entsprechen könnten - zugleich wird er sehr verschiedene Gegenüber und Partner, aber auch Gegenspieler und erbitterte Feinde bekommen: von Apoll, Ariadne und Sokrates bis hin zu Jesus Christus.
Das Seminar möchte die Entwicklung der Dionysos-Figur im Werk Nietzsches nachvollzie-hen und dabei ästhetischen, politischen und philosophischen Implikationen nachgehen, die mit dieser anti-identitären Figur par excellence verbunden sind. Warum wirft Nietzsche etwa dem Musiktheater Richard Wagners nach anfänglicher Begeisterung einen folgenschwe-ren Verrat an Dionysos vor? Wie lässt sich das Verhältnis der feindlichen Pole Dionysos und Jesus Christus denken, wenn diese doch zugleich eine ganze Reihe von Zügen (Opferung, Wiederauferstehung etc.) teilen? - eine Frage, deren Komplexität sich nicht zuletzt in der Tatsache niederschlägt, dass Nietzsche nach dem, was gemeinhin der "Ausbruch seiner Krankheit" genannt wird, seine Briefe mit "Dionysos" und/oder "Der Gekreuzigte" zu unterschreiben pflegte. Und welche Darstellungsformen - etwa in Tanz, Chortheater und Performance - könnten heute mit dem Dionysischen nach Nietzsche verbunden sein?